Offene Fragen

Ansprache von Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July anlässlich einer "Aktuellen Stunde" während der Landessynode der Württembergischen Evangelischen Landeskirche in Bad Mergentheim.
Veröffentlichung
Donnerstag, 4. Juli 2013
Ansprache vor der Landessynode

Frau Präsidentin, hohe Synode! Angesichts der Zeitknappheit – ich sehe Ihren mahnenden Blick - möchte ich nur drei, vier Punkte klar stellen. Zunächst einmal danke ich für die Aussprache. Wir sind in einer Kirche der Freiheit, und wir werden in der Orientierungshilfe sogar zur Diskussion und zur Stellungnahme eingeladen. Das haben wir heute getan, und das finde ich richtig und in Ordnung.

Das Papier, darauf will ich noch einmal hinweisen, ist keine Denkschrift, wie es immer wieder heißt. Es ist eine Orientierungshilfe und hat dadurch natürlich auch eine andere Qualität.

Da wir eine Kirche der Freiheit und eine Kirche sind, die den Diskurs zur Grundlage gemacht hat, finde ich es angemessen, uns auf den Diskurs einzulassen. Es heißt eben nicht: Roma locuta, causa finita. Es heißt nicht: Die EKD hat gesprochen, und damit ist die Sache beendet, sondern es wurde ein Doppelpunkt gesetzt, und diesen nehmen wir auf.

Mehr Koordination im Miteinander

Deswegen möchte ich auch darauf hinweisen, dass ich in meiner Verantwortung als Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg in die Diskussion – das war ungewöhnlich – eingegriffen und auf Probleme in der Orientierungshilfe hingewiesen habe, die aus meiner Sicht gegeben sind.

Das Papier enthält viele wichtige und interessante Gedanken und legt uns offene Fragen vor, die wir bearbeiten müssen. Das ist völlig klar und in Ordnung. Wir werden uns diesen Fragen auch stellen. Ich habe sehr deutlich gesagt – das ist in den Zitaten manchmal weggefallen – , dass das Papier in seiner Darstellung ausdrücklich anerkennt, dass wir nicht in einer Idealwelt und in einem Kunstbild, sondern in einer real existierenden Lebenswelt mit einer Vielfalt von Beziehungen leben.

Ich bleibe bei meiner Kritik, dass bei so tiefgreifenden und schwergewichtigen Fragen – und die Fragen von Zusammenleben, Familie und Ehe greifen in viele Biografien ein und betreffen das Selbstverständnis vieler Menschen – der Vorlauf und das Verfahren hätten anders sein können. Ich habe diese Kritik in der Kirchenkonferenz vorgebracht. Deswegen sage ich auch hier: Es kann nicht sein, dass die Bischöfinnen und Bischöfe das Papier praktisch erst dann erhalten, wenn schon die Veröffentlichung läuft, oder ganz kurz vorher. Hier wünsche ich mir mehr Koordination im Miteinander.

"Ich weise auch darauf hin, dass die geäußerte Kritik – und da kann man eine Fülle nennen - nicht nur von konservativen Teilen der Gesellschaft vorgetragen wurde"

Ich glaube, dass wir eine Konsultation zu diesen Fragen nötig haben, um den Befund und die verschiedenen Standpunkte abzuwägen. Deswegen rege ich an, dass die Akademie Bad Boll eine solche Konsultation vornimmt. Ein Holzschnitt ist in dieser Sache nicht angesagt. Deswegen ist eine gemeinsame Reflexionsarbeit notwendig.

Ich bleibe bei meiner Kritik, dass in dem Papier die theologische Begründung und die Frage der Veränderung in der ethischen Bewertung der Institution – das halte ich für einen gravierenden Vorgang, über den man eine Zeit lang länger nachdenken muss, wobei man zu verschiedenen Ergebnissen kommen kann – nicht ausreichend gewürdigt wurden. Ja, man hat sich meiner Meinung nach vor einer theologischen Argumentation fast weggeduckt. Deswegen finde ich diesen Teil unangemessen und schmal.

Ich weise auch darauf hin, dass die geäußerte Kritik – und da kann man eine Fülle nennen - nicht nur von konservativen Teilen der Gesellschaft vorgetragen wurde. Ich möchte mich da auch nicht persönlich einordnen lassen.

Jemand wie Jürgen Schmude, langjähriger Präses der EKD-Synode und SPD-Politiker, der sehr wohl die Veränderungsprozesse dieser Gesellschaft wahrnimmt, und letztlich auch insofern heftige Kritik übt, indem er sagt, wenn dieser Begriff so ausgeweitet wird, dann ist der Begriff der Ehe nachher nichtssagend.

Ernsthaften Diskurs zu diesem Thema pflegen

Ich meine, man kann die Vielfalt menschlichen Zusammenlebens und menschlicher Partnerschaft, die es in unserer Gesellschaft gibt, wahrnehmen und auch angemessen würdigen - darauf möchte ich auch Wert legen bei den zukünftigen Beratungen -, ohne den Begriff Ehe so auszuweiten, dass er letztlich nichtssagend und nicht mehr verstanden wird. Das ist auch ein Teil meiner Kritik. Wir haben in der Kirchenkonferenz darüber diskutiert und ich gebe zu, dass ich diesmal nicht die Mehrheit hinter mir hatte.

Ich finde es in der Diskussionskultur aber gut. Ich bin mit dem Kirchenpräsidenten Volker Jung, der in dieser Kirchenkommission saß und mit dem ich persönlich sehr gut befreundet bin, im respektvollen Dialog und in einem freundschaftlichen Gespräch. Ich will nur darauf hinweisen, dass Sozialethiker nicht in allen Konsequenzen, die ich bisher ziehe, mitziehen, aber mir ebenfalls Recht gegeben haben, dass meine Kritik, die in der Presseerklärung veröffentlicht wurde, aus ihrer Sicht angemessen ist.

Ich möchte nachdrücklich einladen, dass wir in der Kirche der Freiheit einen ernsthaften Diskurs zu diesem Thema pflegen. Damit es nicht so einfach in der Luft bleibt, habe ich bereits mit dem Akademiedirektor Prof. Hübner gesprochen, die Akademie Bad Boll wäre dazu bereit.

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