1. Zusammenfassende Thesen

Zwischen Autonomie und Angewiesenheit - Familienleben heute: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ Bereits in den ersten Kapiteln der Bibel wird deutlich, dass Menschen zur Gemeinschaft bestimmt und auf Liebe, Fürsorge, Erziehung und Pflege angewiesen sind. Gleichzeitig gehört der Wunsch nach Erkenntnis, Entdeckung, nach Entwicklung und Eigenständigkeit konstitutiv zum Menschsein. In der Ambivalenz von Angewiesenheit und Autonomie wird Familienleben erfahren. Ehe, Partnerschaft, Verantwortung für Kinder, Pflegebedürftige und Kranke werden geprägt durch Bildungsprozesse, die Bedingungen des Erwerbslebens und die gesellschaftliche Gestaltung von Lebensrisiken. Um eine evangelische Verständigung über Ehe, Familie und Partnerschaft zu versuchen, geht es zunächst um eine Ortsbestimmung. Dabei fallen aktuelle Trends in Familienleben und Partnerschaftsverhalten auf: die spätere Familiengründung und der Rückgang von Eheschließungen, die Vervielfältigung von Familienformen, das Auseinanderdriften der sozialen Lebenslagen und die steigende Kinderarmut, schließlich gibt es mehr Familien mit Migrationshintergrund.

Familie und Ehe im Wandel: Eine breite Vielfalt von Familienformen ist, historisch betrachtet, der Normalfall. Die bürgerliche Familie als Ideal entwickelte sich erst im 18. Jahrhundert durch die Trennung von männlicher Erwerbswelt und weiblicher Familiensphäre mit Haushalt und Kindererziehung. Dieses Ideal setzte sich zunächst langsam und erst nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik als Lebensform für alle durch. Die DDR dagegen erhob die gleichberechtigte Ehe mit zwei in Vollzeit erwerbstätigen Eltern zum Leitbild und nahm dabei die Familie für die Erziehung der Kinder zur „sozialistischen Persönlichkeit“ gesetzlich in die Pflicht. In Westdeutschland zeigte sich nach der Einführung der verfassungsmäßig garantierten Gleichberechtigung eine wachsende Spannung zwischen der Gleichberechtigung der Frau und dem institutionellen Schutz von Ehe und Familie. Dabei war das Leitbild der bis 1977 gesetzlich geschützten so genannten Hausfrauenehe die Grundlage des Steuer- und Sozialversicherungsrechts. Die Hauptlast der Hausarbeit lag aber trotz der unterschiedlichen Ehe- und Familienkonzeptionen in beiden deutschen Staaten bei den Frauen, auch wenn es in der DDR quantitativ ausreichende Kinderbetreuung gab. Seit dem 19. Jahrhundert kritisierten die Frauenbewegungen die ungleiche Rechtsposition insbesondere der Mütter; damit haben sie schließlich wesentlich zum rechtlichen Wandel in Ehe und Familie beigetragen.

Verfassungsrechtliche Vorgaben und Leitbilder von Ehe und Familie: Die weitreichenden Änderungen im Familienrecht der letzten Jahre folgen einerseits dem Strukturwandel der Familie und tragen der neuen Vielfalt der Familienformen Rechnung, andererseits geben sie Regelungen vor, die der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorauseilen. Die nachhaltigste Veränderung ist die Anerkennung eines erweiterten Familienbegriffs, die nicht nur die traditionelle Kleinfamilie, sondern auch alternative Lebensformen unter den institutionellen Schutz des Art. 6 Grundgesetz stellt. Ausschlaggebend hierfür ist einerseits das Kindeswohl, andererseits die Gleichberechtigung aller Mitglieder der Familie, die nun neben Frauen auch Kinder einbezieht.

Theologische Orientierung: Angesichts der Vielfalt biblischer Bilder und der historischen Bedingtheit des familialen Zusammenlebens bleibt entscheidend, wie Kirche und Theologie die Bibel auslegen und damit Orientierung geben. Ein normatives Verständnis der Ehe als „göttliche Stiftung“ und eine Herleitung der traditionellen Geschlechterrollen aus der Schöpfungsordnung entsprechen nicht der Breite des biblischen Zeugnisses. Wohl aber kommt bereits in der Schöpfungsgeschichte zum Ausdruck, dass Menschen auf ein Gegenüber angewiesen sind, an dem sich die eigene Identität entwickelt. In diesem Sinne ist die Ehe eine gute Gabe Gottes, die aber, wie das Neue Testament zeigt, nicht als einzige Lebensform gelten kann. Die den Kindern Gottes zugesagte gleiche Würde jeder und jedes Einzelnen jenseits von Geschlecht und Herkommen und die erfahrbare Gemeinschaft in Christus in all ihrer Unterschiedlichkeit fordert die vorfindlichen Ordnungen immer neu heraus. Deswegen versteht die Reformation die Ehe als „weltlich Ding“; sie ist kein Sakrament, sondern eine Gemeinschaft, die unter dem Segen Gottes steht. Ihre Aufgabe besteht in der Bewahrung und Weitergabe des Lebens in den vielfältigen Formen der Sorge für andere über die Generationen hinweg. Die kirchlichen Segenshandlungen sind ein Zeichen für liebevolle Zuwendung, für Kontinuität und immer neue Aufbrüche im Bund Gottes mit seinem Volk und damit eine Ermutigung, in allen Veränderungen einen gemeinsamen Weg zu wagen. Angesichts von Brüchen und Versagen sind sie zugleich Ausdruck der Rechtfertigung des Menschen allein aus Gnade. Protestantische Theologie unterstützt das Leitbild der an Gerechtigkeit orientierten Familie, die in verlässlicher und verbindlicher Partnerschaft verantwortlich gelebt wird.

Herausforderungen und Brennpunkte der Familienpolitik: Familien sind sinnstiftender Lebensraum und Orte verlässlicher Sorge. In Familien werden unverzichtbare Leistungen für Gesellschaft und Wirtschaft erbracht und sozialer Zusammenhalt gestiftet. Sie stehen nach wie vor an erster Stelle, wenn Menschen in Notlagen geraten. Andererseits werden Familien auch vor neue gesellschaftliche Erwartungen und Anforderungen gestellt und fühlen sich zum Teil erheblich überfordert. Alle Familien sind deshalb darauf angewiesen, dass ihre Leistungen und ihre Bedeutung für die Gesellschaft anerkannt und unterstützt werden.

Zeit füreinander - Alltag und Fest: Gemeinsame Zeit in der Familie entsteht nicht von selbst, sondern muss aktiv von den Familienmitgliedern „hergestellt“ werden. Erwerbsarbeitszeit, Schule und Unterricht, Freizeit, Sport und ehrenamtliches Engagement finden in unterschiedlichen Rhythmen und zu unterschiedlichen Zeiten statt, stellen verschiedene Ansprüche an die Einzelnen und können miteinander kollidieren. Familien brauchen aber gemeinsame Zeit, um sich als zusammengehörig zu erfahren. Gemeinsame Feiern, Feste und Rituale stützen und stärken den Zusammenhalt. Unverzichtbar ist der Sonntag als gemeinsamer erwerbs-, schul- und einkaufsfreier Tag, an dem für Gottesdienst, Gemeinsamkeit und Muße Zeit ist.

Erwerbsarbeit und Sorgetätigkeiten in der Familie: Die Gleichzeitigkeit von Erwerbsarbeit und familiärer Sorge wird vor allem als Problem der Kinder und ihrer Mütter wahrgenommen. Erst in jüngster Zeit sind familienfreundliche Arbeitszeiten auch ein Thema für Väter. Die Zunahme der Mütter-Erwerbstätigkeit geht vor allem auf eine Zunahme von Teilzeitarbeit und prekärer Beschäftigung zurück; das Erwerbsarbeitsvolumen von Frauen hat dagegen nicht zugenommen.Gleichwohl hat das zumindest in Westdeutschland lange vorherrschende männliche Ernährermodell an Dominanz eingebüßt und ist durch vielfältige Arrangements abgelöst worden: das Ernährermodell mit der zuverdienenden Partnerin, zwei in Vollzeit erwerbstätige Elternteile, aber auch Frauen als Familienernährerinnen, insbesondere im Falle der Alleinerziehenden. Unabhängig davon, wie viele Stunden Frauen erwerbstätig sind, obliegt ihnen in jedem Fall die Hauptlast der Haus- und Sorgearbeit. Zwar hat der technische Fortschritt die Hausarbeit zum Teil erleichtert und verändert, doch ist das Stundenvolumen gleich geblieben. Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit in der Familie sind vor allem durch persönliche Beziehungen geprägt und nicht gleichermaßen von bezahlten Kräften leistbar. Wo das dennoch geschieht, handelt es sich häufig um Schwarzarbeit oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse, in denen Hausarbeit auf andere Frauen, meistens Migrantinnen, verlagert wird.

Erziehung und Bildung: Die gesellschaftlichen Debatten über Bildung und Erziehung verändern sich: Galt bis vor Kurzem in Westdeutschland noch die Devise, dass Erziehung in der Familie stattfinde, der Kindergarten für ergänzende Betreuung zuständig sei und mit dem Schuleintritt der Bildungsweg beginne, so werden diese Zuordnungen heute grundlegend in Frage gestellt. Familien begegnen mehr denn je dem Anspruch, die Bildungsfähigkeit der Kinder zu verbessern, den Grundstein für qualifizierte Ausbildungen und Studienabschlüsse zu legen sowie für eine bessere Verwendbarkeit auf dem Arbeitsmarkt („employability“) zu sorgen. Dabei ist Bildung, wie Studien belegen, gerade in Deutschland nach wie vor von der sozialen Herkunft abhängig. Als einer der großen Bildungsträger kann die evangelische Kirche Familien bei der Erziehung im Hinblick auf Wertorientierungen und Identitätsbildung entscheidend unterstützen und Orientierungen bieten.

Generationenbeziehungen und Fürsorglichkeit: Familien sind Übungsstätten für soziales Lernen und bilden ein Netzwerk der Unterstützung zwischen den Generationen. Sie fördern die Weitergabe von Erfahrungen und begleiten die kommenden Generationen auf ihrem Weg ins Leben. In vielen Fällen bieten sie bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit nach wie vor Fürsorglichkeit und praktische Hilfe an. Trotz zunehmender Mobilität ist die wechselseitige familiäre Generationensolidarität, die sich auch in finanziellen Transfers von den Älteren an die Jüngeren ausdrückt, ungebrochen. Kinder schätzen ihre Eltern und Großeltern und erfahren von ihnen vielfältige Unterstützung und umgekehrt.

Häusliche Pflege: Pflegebedürftige werden immer noch überwiegend in Familien gepflegt. Dabei übernehmen Frauen ganz überwiegend diese Aufgabe. Angesichts des knapper werdenden familiären Pflegepotenzials - nicht zuletzt aufgrund von Veränderungen in der Arbeitswelt und des gesellschaftlichen Wandels - wachsen die Herausforderungen an die Sozialsysteme, wird ein weiterer Ausbau der pflegerischen und hauswirtschaftlichen Dienstleistungsangebote notwendig sein. Gleichzeitig ist die Verbesserung der kommunalen und nachbarschaftlichen Netze und eine Nahversorgung mit Produkten und Dienstleistungen des täglichen Lebens erforderlich, um den Verbleib in der eigenen Wohnung möglichst lange zu erhalten.

Gewalt in Familien: Gewalt in der Familie war bis in die 1980er Jahre tabuisiert, für sexuelle Gewalt an Kindern galt das bis in die jüngste Gegenwart. Das Ideal der Familie war geprägt vom Bild einer harmonischen, gewaltfreien Beziehung. Gewalt in der Familie ist jedoch die am meisten verbreitete Form von Gewalt und tritt als körperliche, psychische und sexuelle Gewalt oder auch als Vernachlässigung in Erscheinung. Betroffen von allen Formen sind Kinder (Jungen und Mädchen) und Frauen. Aber auch Männer erfahren Gewalt, allerdings ist deren Gefährdung außerhalb der Familie höher als bei Frauen, die Gewalt überwiegend im häuslichen Bereich erleben. Besonders problematisch sind Gewalterfahrungen von Kindern in der Familie, weil sie auf die Familie angewiesen und der Situation besonders hilflos ausgesetzt sind. Die Gefahr, dass noch Erwachsene eine solche Gewalterfahrung, die sie als Kinder nicht verlassen konnten, an die nächste Generation weitergeben, ist deshalb groß. Lange übersehen wurde, dass auch in der Pflege Gewalt erfahren wird - von Pflegebedürftigen wie von Pflegenden.

Migration und Familienkulturen: Migration gehört zu den Erfahrungen jeder Zeit und Generation, schon biblische Geschichten berichten davon. Entscheidend ist, wie Einheimische und Zugewanderte ihr Zusammenleben gestalten. Das Ankommen in einer neuen Gesellschaft ist ein Generationenprojekt, das Migrantenfamilien dazu herausfordert, eine neue Balance von Herkunfts-Kultur und neuen kulturellen Einflüssen zu finden, um heimisch zu werden. Herausgefordert ist auch die einheimische Gesellschaft mit ihren kulturellen und religiösen Traditionen, mit ihren Familienbildern und Erziehungsstilen. Bikulturelles Aufwachsen bietet die Chance, Rituale und Lebensdeutungen unterschiedlicher Kulturen und religiöser Lebenszusammenhänge verstehen zu können und sich - bei allen Spannungen, die auch damit verbunden sind - auf die Suche nach einer eigenen kulturellen Identität und gestalteten Religiosität zu begeben. Gerade das Zusammenleben mit anderen Religionen erinnert die säkularisierte Gesellschaft erneut an die religiöse Prägung der Lebenszusammenhänge - von den Alltagsritualen wie Tisch- und Abendgebeten bis zu Hochzeiten und Beerdigungen.

Reichtum und Armut von Familien: Kinder zu erziehen erhöht statistisch gesehen das Armutsrisiko. Auch die sozialpolitischen Transfers können dieses Risiko nicht beseitigen, da sie die betroffenen Familien nicht zielgenau erreichen. Armut ist allerdings weit mehr als das Fehlen materieller Ressourcen. In armen Familien reduzieren sich auch die Bildungschancen der Kinder, die gesundheitliche Versorgung ist ungenügend, die sozialen Netze sind kleiner, die Angebote im Wohnquartier schlechter: Armut bedeutet geringere Teilhabe und geringere soziale Ressourcen. Insofern geht es bei der Armutsprävention nicht nur um Verteilungs-, sondern auch um Befähigungs- und Teilhabegerechtigkeit.

Familienpolitik als neue Form sozialer Politik: In der international vergleichenden Familienforschung und Sozialpolitik hat ein Perspektivenwechsel die besondere Bedeutung von Familien als wesentliche Faktoren allgemeiner Wohlfahrt und des gesellschaftlichen Reichtums hervorgehoben. Damit wurde einerseits offenbar, dass der westdeutsche Sozialstaat mit seinem tradierten Familienbild eine nachhaltige Familienpolitik versäumt hat, andererseits ist deutlich geworden, dass verlässliche Sorgearbeit für die vorangegangene und die nachkommende Generation einen wichtigen, bislang nicht ausreichend berücksichtigten Beitrag zum Bruttosozialprodukt leistet. Der Familie als gesellschaftlicher Institution kommt dabei für die Weitergabe des Lebens und den sozialen Zusammenhalt nach wie vor eine zentrale und unverzichtbare Rolle zu.

Wie Kirche und Diakonie Familien stark machen können: Kirche ist nach wie vor eine wichtige Ansprechpartnerin für Familien. Mit ihren Kasualien, Festen und Feiern begegnet sie Familien in Übergangssituationen, mit ihren Tageseinrichtungen für Kinder, Jugendtreffs und Schulen bietet sie Orte für Bildung, Erziehung und Begegnung, mit ihren diakonischen Diensten begleitet sie Familien in Krisensituationen. Dabei haben Gemeinden, Diakonie und Verbände oft ganz unterschiedliche Gruppen und Familien im Auge. Eine Zusammenarbeit von Kirche und Diakonie, die gemeinsame Entwicklung von Leitbildern und Angeboten und eine verstärkte Zusammenarbeit mit dritten Partnern in der Region sind deshalb unbedingt notwendig. Darüber hinaus sollten Kirchengemeinden ihre generationenübergreifende Arbeit bewusst ausbauen und die Gemeindezentren als Orte erlebten zivilgesellschaftlichen Engagements und erlebter Gemeinschaft gestalten. Angesichts des Strukturwandels von Familien haben Gemeinden und Familienzentren eine wachsende Bedeutung auch für die religiöse Erziehung und die Weitergabe des Glaubens.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Berliner Symposion: Zwischen theologischer Aussage und sozialgeschichtlicher Lebenswirklichkeit

Die Orientierungshilfe ist zunächst an dem Auftrag zu bemessen, den der Rat der EKD der Kommission gegeben hatte: sie solle über eine kirchliche Perspektive zur Familienpolitik beraten (S. 8). In der öffentlichen Diskussion nach der Veröffentlichung sind vor allem Aspekte thematisiert worden, die nicht eigentlich im Focus der Orientierungshilfe standen. Sie betreffen das Verständnis von Ehe, Sexualität und Lebensformen und fragen nach der den betreffenden Aussagen zugrunde liegenden theologischen, vor allem biblischen Orientierung.

Berliner Symposion: Suggerierte Eindeutigkeit einer komplexen Auslegung

1) "The War over the Family"1 lautet der Titel eines Buches, das die Soziologen Brigitte und Peter L. Berger veröffentlicht haben. Die Überschrift des einleitenden Kapitels lautet: "Die Familie - Ideologisches Schlachtfeld". Wer sich durch die Nachrichten über die Evangelische Kirche in Deutschland seit der Veröffentlichung der Orientierungshilfe liest, kann in der Tat den Eindruck gewinnen, wir befinden uns auf einem Schlachtfeld.

Berliner Symposion: Wie wird Ehe- und Familienethik "schriftgemäß"? Eine Zustimmung zur Orientierungshilfe

Den Voten der Orientierungshilfe, das sei vorweg gestellt, kann ich gut folgen, und ich halte ihre sozialethischen Anliegen für eine angemessene Interpretation und Applikation biblischer Ethik. Nicht verschwiegen sei, dass ich eine präzisere theologische Begründung wünschenswert finde, da der biblische Befund eher narrativ dargestellt wird, mit Unschärfen und Fehlern im Detail.

Berliner Symposion: Die Einleitung von Christoph Markschies

Wenn, lieber Nikolaus Schneider, liebe leitende Geistliche, meine Damen und Herren, liebe Frau Gerber, liebe Herren Härle, Horn und Tanner, den Vorsitzenden der Kammer für Theologie bittet, ein theologisches Symposium zu einer Orientierungshilfe des Rates zu moderieren, dann liegt ja offenbar ein theologisches Problem vor. Sonst hätte an meiner Stelle ja irgendein anderer, irgendeine andere stehen können.

Berliner Symposion: Begrüßung von Nikolaus Schneider

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
herzlich willkommen zum theologischen Symposion des Rates der EKD.

Sie alle haben sich in den letzten Wochen und Monaten auf unterschiedliche Weise mit der Orientierungshilfe des Rates der EKD "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie stärken" auseinandergesetzt. Wir freuen uns über die rege Diskussion innerhalb und außerhalb unserer Kirche zu diesem Papier. Ein kritischer – auch selbstkritischer! – Diskurs über ethische Orientierungshilfen in existentiellen Fragen steht dem Protestantismus gut an.

Nikolaus Schneider: "Das hat mit Zeitgeist-Surferei nichts zu tun"

epd: Bei der Vorstellung des EKD-Familienpapiers haben Sie dazu aufgerufen, gesamtgesellschaftlich eine Debatte zu führen. Die ist nun im vollen Gang. Sind sie damit zufrieden?

Offener Brief: Zehn Fragen an den Rat der EKD

(1) – Bitte informieren Sie über das "Instrumentarium": "Orientierungshilfe" (auch im Unterschied zur "Denkschrift"), über das "procedere" (bis hin zur Verabschiedung), über den Status von EKD-ad-hoc-Kommissionen, über deren Autorität und Legitimation, über die Verbindlichkeit solcher Verlautbarung in den verschiedenen EKD-Gliedkirchen. Es fällt auf, dass von einzelnen führenden EKD-Vertretern aufgrund der heftigen Kritik die vom Rat herausgegebene und verantwortete "Orientierungshilfe" zu einem "Diskussionspapier" herabgestuft werden soll. Was ist denn nun "Sache"?

Offene Fragen

Frau Präsidentin, hohe Synode! Angesichts der Zeitknappheit – ich sehe Ihren mahnenden Blick - möchte ich nur drei, vier Punkte klar stellen. Zunächst einmal danke ich für die Aussprache. Wir sind in einer Kirche der Freiheit, und wir werden in der Orientierungshilfe sogar zur Diskussion und zur Stellungnahme eingeladen. Das haben wir heute getan, und das finde ich richtig und in Ordnung.

Das Papier, darauf will ich noch einmal hinweisen, ist keine Denkschrift, wie es immer wieder heißt. Es ist eine Orientierungshilfe und hat dadurch natürlich auch eine andere Qualität.

Eine Entlastung für Menschen, die mit Brüchen leben müssen

Besonders begrüßt wird die Darstellung der Vielfalt von familialen Lebensformen in der heutigen Gesellschaft. Die Ehe mit Kindern wird in diesem Zusammenhang nur als eine mögliche Lebensform beschrieben, ohne diese zu überhöhen bzw. andere Formen abzuwerten. Vielfältige Familienformen seien bereits in der Bibel beschrieben. Eine Erhebung der Familienform mit Trauschein über alle anderen Familienformen ließe sich aus der Bibel nicht ableiten, wäre geradezu eine Verengung.

Ja zur Vielfalt von Familie!

Zu Berichten über eine Initiative gegen die im Juni präsentierte Orientierungshilfe der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ erklärt Christiane Reckmann, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie e.V.:

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