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Kinder wachsen idealerweise auf in der Erfahrung von liebevoller Begleitung und Fürsorge durch Eltern und ErzieherInnen und gleichzeitig in eigenständiger Auseinandersetzung mit der Umwelt. Aus beidem bildet das Kind seine Identität. Wesentlichste - und anspruchsvolle - Aufgabe der erziehenden Personen ist es, diese Selbstbildungsprozesse zu ermöglichen und zu unterstützen. Je nach Alter und Bedürfnissen des Kindes muss dabei die Balance von Bindung und Schutz einerseits sowie von Eigenständigkeit und Entdeckung von Welt andererseits gefunden werden - mithin im Ausgleich von Bindung und Selbstentwicklung, von Angewiesenheit und Autonomie. Hier spielen Traditionen, kulturelle Muster, aber auch strukturelle Bedingungen und Ressourcen von Familien eine wesentliche Rolle. Erziehung ist daher immer Werte-orientiert und -orientierend. In jeder Interaktion und elterlichen Intervention erfahren Kinder Werte und setzen sich damit auseinander. Um eine eigenständige, gefestigte Wertekompetenz entwickeln zu können, brauchen Kinder positive emotionale Erfahrungen, Grundvertrauen und Selbstwertempfinden. Wo Eltern im Gottvertrauen leben und mit ihren Kindern beten, können sie zugleich lernen, dass Menschen Alltag und Zukunft trotz offener Fragen, Unsicherheiten und Konflikte gestalten können. Das schließt die Anwendung von physischer und psychischer Gewalt als Erziehungsmittel aus sowohl in der Familie als auch in Einrichtungen, denen Kinder anvertraut sind. Je nach Alter beteiligen sich Kinder an der Aushandlung von Regeln und Ordnungen. Schließlich brauchen Kinder offene Erfahrungsräume, Spielmöglichkeiten und sozial und kulturell vielfältige Begegnungen, um unterschiedliche Wertorientierungen kennen zu lernen, zu erproben und eigene Werthaltungen einüben zu können. Daher ist die Beziehung zu Gleichaltrigen schon in frühem Alter wichtig. Dazu gehört das Lernen von und an jüngeren und älteren Kindern sowie die Ermöglichung von sozialem und religiösem Lernen, in dem die Unterschiede von Alter, Geschlecht, Sprache und Kultur sowie unterschiedliche Familienkonstellationen wahrgenommen werden und der Respekt voreinander eingeübt werden. Der Ansatz der Inklusion, der das gemeinsame Aufwachsen von Kindern mit und ohne Behinderungen vorsieht, muss dabei selbstverständlich werden.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ermutigung für das Wagnis familiären Lebens

Wie dem Inhaltsverzeichnis der Orientierungshilfe unschwer entnommen werden kann, ist dieses Papier vor allem ein familienpolitisches Papier. Mehr als die Hälfte dieser Orientierungshilfe behandelt Herausforderungen und Empfehlungen für die Familienpolitik. Dies deswegen, weil wir darüber besorgt sind, dass in der Sozialpolitik unseres Landes die Stärkung der Familie keine oberste Priorität mehr einnimmt. Hier wollten wir mit der Orientierungshilfe einen Akzent setzen, deswegen auch der Untertitel der Schrift "Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken".

Familie ist mehr als Vater, Mutter, Kind

Heute geht die Braut in Rot. Denn es ist ihre zweite Hochzeit. Mit Anfang fünfzig machen sie und ihr Bräutigam noch mal einen neuen Anfang - so wie viele andere Paare in ihrem Alter. Das Versprechen: Wir bleiben beieinander, bis dass der Tod uns scheidet… Mit Gottes Hilfe. Das hatten sich die meisten von ihnen schon einmal gegeben. Und dann kam das, was sie sich nie gewünscht haben: die Beziehung zerbrach. Manche hatten noch die silberne Hochzeit geschafft, aber die Goldene oder gar die Diamantene wie meine Großeltern, die ist für viele Paare heute in weite Ferne gerückt.

Kulturkampf um Ehe und Familie

Wer über Familie schreibt, schreibt über Fragen, die Menschen bis ins Tiefste treffen.
Nikolaus Schneider

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