6.6 Gewalt in Familien

Gewalt in der Familie war bis in die 1980er Jahre tabuisiert, für sexuelle Gewalt an Kindern galt das bis in die jüngste Gegenwart. Das Ideal der Familie war geprägt vom Bild einer harmonischen, gewaltfreien Beziehung. Gewalt in der Familie ist jedoch die am meisten verbreitete Form von Gewalt und tritt als körperliche, psychische und sexuelle Gewalt oder auch als Vernachlässigung in Erscheinung. Betroffen von allen Formen sind Kinder (Jungen und Mädchen) und Frauen. Aber auch Männer erfahren Gewalt, allerdings ist deren Gefährdung außerhalb der Familie höher als bei Frauen, die Gewalt überwiegend im häuslichen Bereich erleben. Besonders problematisch sind Gewalterfahrungen von Kindern in der Familie, weil sie auf die Familie angewiesen und der Situation besonders hilflos ausgesetzt sind. Die Gefahr, dass noch Erwachsene eine solche Gewalterfahrung, die sie als Kinder nicht verlassen konnten, an die nächste Generation weitergeben, ist deshalb groß. Lange übersehen wurde, dass auch in der Pflege Gewalt erfahren wird - von Pflegebedürftigen wie von Pflegenden.

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Bis in die 1980er Jahre hinein wurden Familienbeziehungen kaum mit Gewalt und Vernachlässigung in Verbindung gebracht. Die Anwendung von Gewalt war tabuisiert und als „seltene“ Ausnahme gesehen, die anscheinend nur in bestimmten Familien am Rand der Gesellschaft vorkommt. Das Idealbild der Familie war verbunden mit dem Anspruch auf Liebe und harmonische innerfamiliäre gewaltfreie Beziehungen. Durch den Anstoß der neuen formierten Frauenbewegung der 1970er Jahre wurde das Tabu der „heilen“ Familie gebrochen. Erste Untersuchungen ließen das Ausmaß alltäglicher Gewalt in Familien sichtbar werden (Hagemann et al. 1981). Durch feministische Initiativen wurden erste Beratungsstellen und Frauenhäuser gegründet. Auch in der DDR war das Thema häusliche Gewalt tabuisiert, es vertrug sich nicht mit der „idealen“ sozialistischen Gesellschaft. Gewalt und Vernachlässigung im sozialen Nahraum, innerhalb der Familie, haben gravierende Folgen. Sie können Gesundheit und Lebensqualität lebenslang beeinflussen. In dem 1990 veröffentlichten Bericht einer Kommission der Bundesregierung zur Untersuchung von Gewalt wurde festgestellt, dass Gewalt in der Familie die „verbreitetste“ Form von Gewalt ist (Schwind et al. 1990, 75). Gewalt kann körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt, sexuelle Belästigung und psychische Gewalt oder auch Vernachlässigung bedeuten. Sie betrifft im engen sozialen Umfeld vor allem Kinder (Mädchen und Jungen) und Frauen.

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Eine repräsentative Studie zur Gewalt gegen Frauen aus dem Jahr 2004 zeigt, dass bisherige Schätzungen zum Ausmaß der Gewalt in Paarbeziehungen nach oben zu korrigieren sind. Mindestens jede vierte Frau im Alter von 16 - 85 Jahren (23%), die in einer Partnerschaft lebt oder gelebt hat, hat ein- oder mehrmals körperliche oder – zum Teil zusätzlich – sexuelle Übergriffe durch einen Beziehungspartner erlitten. Zwei Drittel dieser häuslichen Gewalttaten beziehen sich auf mittlere bis schwere und häufige Übergriffe (BMFSFJ 2004, 2011). Deutlich wurde auch, dass häusliche Gewalt nicht auf bestimmte soziale Schichten oder Gruppen beschränkt ist. Allerdings lassen sich für bestimmte Gruppen oder Situationen erhöhte Risiken identifizieren. Diese sind neben wirtschaftlich nicht abgesicherten Verhältnissen vor allem Trennungs- und Scheidungssituationen sowie eine höhere berufliche Position von Frauen in der Partnerschaft ab dem Alter von 45 Jahren. Darüber hinaus sind Frauen mit Migrationshintergrund stärker von körperlicher Gewalt betroffen. Zur häuslichen Gewalt gegenüber Männern gibt es bislang keine repräsentativen Untersuchungen. Pilotstudien zeigen jedoch, dass auch Männer in der Familie Gewalt erfahren - vor allem psychische und vereinzelte, leichtere physische Gewalt. Männer sind jedoch am Arbeitsplatz sowie in der Freizeit höheren Gewaltrisiken ausgesetzt als in der Familie. Das 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz versucht mit der Regelung eines „Platzverweises“ und interdisziplinärer Hilfen die Gewaltspirale in Partnerschaften zu durchbrechen. Auch wenn festzustellen ist, dass häusliche Gewalt weitgehend aus der Tabuzone herausgekommen ist und sich an vielen Orten „Runde Tische“ gegen häusliche Gewalt gebildet haben, fliehen weiterhin jährlich ca. 45.000 Frauen in ein Frauenhaus. Daher bleiben die Bereitstellung eines differenzierten Hilfs- und Unterstützungsangebotes insbesondere auch für besondere Risikogruppen sowie kontinuierliche Aufklärungs- und Informationsarbeit weiterhin eine dringliche Aufgabe. Auch Beratungs- und Hilfsangebote für Täter und auch Täterinnen müssen ausgebaut werden. Nach wie vor fehlt eine verbindliche rechtliche Regelung der finanziellen Grundlage der Frauenhausarbeit und der Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt.

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Kinder sind in allen Fällen häuslicher Gewalt mit betroffen. Auch Kinder, die Gewalt „nur“ miterleben, zeigen dieselben Belastungen wie am eigenen Leib erlebte Gewalt (Kindler 2002). Dadurch besteht das Risiko der transgenerationellen Weitergabe von „erlernter“ Partnergewalt im Erwachsenenalter. Zwar hat sich mit der Einführung des Rechtes von Kindern auf gewaltfreie Erziehung in Deutschland im Jahre 2000 die Einstellung insgesamt verbessert, 90% der Eltern geben gewaltfreie Erziehung als ihr Ziel an. Gewalt in der Erziehung ist rückläufig, jedoch geht der 11. Kinder- und Jugendbericht (BMFSFJ 2002) davon aus, dass 10-15% der Eltern ihre Kinder häufig und schwerwiegend körperlich bestrafen. Kinder mit Migrationshintergrund haben ein höheres Risiko, Gewalt in der Familie zu erleiden (Uslucan 2000).

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Seit fast zehn Jahren macht das Thema Vernachlässigung von Kindern Schlagzeilen. Gemeint ist körperliche Vernachlässigung durch Mängel in Ernährung, Pflege, Kleidung, Beaufsichtigung und gesundheitliche Fürsorge sowie eine emotional-seelische Vernachlässigung durch mangelnde Zuwendung, Förderung oder instabile Beziehungen. Grundsätzlich gilt: Je jünger die betroffenen Kinder sind und je tiefgreifender sie vernachlässigt werden, umso größer ist das Risiko nachhaltiger Schädigung. Gerade Kinder unter drei Jahren, aber auch Kinder mit Behinderungen sind in besonderem Maße auf Schutz, Fürsorge und Förderung angewiesen; sie waren bislang zu wenig im Blickpunkt von öffentlicher Betreuung, Jugendhilfe und Gesundheitsfürsorge. Dies unterstreicht die Notwendigkeit für den weiteren Ausbau der „Frühen Hilfen“, die eine systematische Vernetzung der Gesundheitsdienste (Hebammen, Kinderärztinnen und Kinderärzte, Kinderkliniken) und Jugendhilfe (Jugendamt und freie Träger) vorsehen. Das Versagen bei der Erziehung und Betreuung von Kindern kann nicht allein den Eltern angelastet werden. Fehlende familienunterstützende sozio-ökonomische Rahmenbedingungen und prekäre Lebenslagen haben negative Auswirkungen auf gelingende Erziehung. Leider sind auch im neuen Bundeskinderschutzgesetz (seit 2012 in Kraft) keine verbindlichen Regelungen für Maßnahmen der Familienbildung - und damit der Prävention und niedrigschwelligen Hilfe - vorgesehen.

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Das bekannt gewordene Ausmaß von sexueller Gewalt in Institutionen, häufig Jahrzehnte zurückliegend, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sexueller Missbrauch überwiegend in der Familie bzw. im familiären Umfeld erfolgt. Die polizeiliche Kriminalstatistik, die nur verfolgte Straftaten im Sinne des Strafgesetzbuches erfasst, nennt für die Straftat des sexuellen Missbrauchs an Kindern unter 14 Jahren 12.444 Fälle für 2011, das ist ein Anstieg von ca. 8% gegenüber 2009. Es wird mit einem Dunkelfeld von 1:20 gerechnet. Drei Viertel der Opfer sind weiblich. Von den Tatverdächtigen waren über 96% Männer, ein Viertel davon unter 18 Jahre alt. Dunkelfeldforschungen gehen davon aus, dass tatsächlich 5-10% der Männer und 10-15% der Frauen im Alter von 14-16 Jahren mindestens einmal sexuelle Übergriffe erlitten haben. Dabei werden Jungen häufiger von Tätern oder Täterinnen aus dem sozialen Nahraum (Nachbarn, Lehrern, Freunden der Familie, Trainern u.a.) und in Institutionen missbraucht, Mädchen dagegen überwiegend im familiären Kontext. Missbrauchte Jungen sehen sich dabei einer doppelten Mauer des Schweigens gegenüber, denn mit dem Offenlegen ihrer Verletzungen widersprechen sie dem Bild des „starken Jungen“. Die Erkenntnisse aus der Arbeit der Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen (2011), die auf den telefonischen und schriftlichen Aussagen von mehr als 20.000 Betroffenen beruhen, bestätigen diese Ergebnisse. Über 60% der berichteten Fälle ereigneten sich in der Familie oder im familiären Umfeld. Unter den institutionellen Fällen sexuellen Missbrauchs waren Kirchen und kirchliche Einrichtungen insgesamt mit ca. 60% vertreten, und davon betrafen ca. 12% die evangelische Kirche. Da sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen lebenslange physische und psychische Folgeschäden haben kann, sind Prävention und frühe Intervention von großer Bedeutung. Zu oft gehen Familienmitglieder, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte oder auch Fachkräfte der Jugendhilfe oder der Gemeindearbeit nicht auf die Signale der Betroffenen ein, zum Teil aus Unkenntnis über den Umgang mit Verdachtsfällen. Erforderlich sind deshalb Hilfekonzepte in allen Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, eine regelmäßige Fortbildung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ein bedarfsgerechtes Beratungsangebot und Hilfen für Betroffene, deren Missbrauch lange zurückliegt.

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Auch im Bereich der häuslichen Pflege ist der Blick stärker auf das noch eher tabuisierte Thema der Gewalt zu richten. Nicht selten führen die extremen Anforderungen der häuslichen Pflege dazu, dass die Belastungsgrenzen der Pflegenden überschritten werden. Situationen der Überforderung, Verzweiflung und Aggressionen führen immer wieder auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bis in die Gegenwart hinein ist die Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen in Deutschland ein wissenschaftlich unzureichend erforschtes Gebiet. Erstmalig wurden Anfang der 1990er Jahre repräsentative Daten zum Dunkelfeld der Gewalt gegen ältere Menschen erhoben. Insgesamt berichteten 7% der über 60-Jährigen von Gewalterfahrungen durch Familien- oder Haushaltsmitglieder (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, 1992). Im Pflegefall erhöht sich das Risiko: Ca. 15% einer bundesweiten Befragung von Pflegebedürftigen über 60 Jahre berichten von Übergriffen durch Pflege- und Betreuungspersonen, vor allem über verschiedene Formen der Missachtung von Autonomie und Würde (13%) und der pflegerischen Vernachlässigung (6%) (Infas 2005, zit. in: Evangelische Frauen-/Männerarbeit EKD 2011).

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Andererseits erleben auch Pflegende, dass sie von Pflegebedürftigen körperlich oder verbal angegriffen werden. In der oben erwähnten Studie gaben zwei Drittel der 503 befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ambulanten Dienste an, innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens einmal körperliche Gewalt, verbale Aggression oder sexuelle Belästigungen seitens Pflegebedürftiger erfahren zu haben. Die Grenzen zwischen Opfer und Täter sind oft fließend. Gewalthandlungen in der Pflege sind dann vermehrt zu beobachten, wenn wechselseitige Abhängigkeiten zwischen Opfer und Täter bestehen, wenn es an Distanzierungsmöglichkeiten mangelt und soziale Isolation vorliegt und Unterstützung fehlt. Ohne eine Entlastung und Honorierung, Beratung und Begleitung der pflegenden Angehörigen wird die Gewalt in der Pflege angesichts des sich heute schon abzeichnenden Pflegebedarfs in den nächsten Jahren eher zu- als abnehmen.

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Durch ihre zerstörerische Kraft widerspricht Gewalt in jeglicher Form aller Lebensdienlichkeit. Gerade dort, wo es die innigsten und liebevollsten Beziehungen geben kann, liegt die Schwelle zur Gewalt besonders niedrig. Hier zeigt sich die zerstörerische Seite einer misslungenen Balance von Angewiesenheit und Autonomie. Zum ehrlichen Umgang mit eigenem Versagen gehört das Eingeständnis, dass auch die evangelische Kirche Gewalt als Erziehungsmittel bis in die jüngste Vergangenheit toleriert hat und in eigenen Einrichtungen Kinder körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt ausgesetzt waren. Kirche und Diakonie haben sich zu dieser Schuld bekannt, Verantwortung übernommen für Hilfemaßnahmen für die Betroffenen und sich zur Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ verpflichtet. Die evangelische Kirche will den Opfern von Gewalt beistehen und sie davor schützen. Wie sinnlos und zerstörerisch Gewalt ist, zeigt sich wie in einem Prisma im Kreuzestod Jesu. Er ist Protest gegen alle Strukturen, in denen Menschen sich als Opfer erleben oder zum Opfer gemacht werden. Zugleich schafft die Botschaft von der Auferstehung die Gewissheit und Hoffnung, dass Gott dieser lebenszerstörerischen Kraft nicht das letzte Wort lässt. Wer in der Nachfolge lebt, wird sowohl im eigenen Leben wie auch in der Gesellschaft an der Überwindung von Gewaltzusammenhängen arbeiten. Es gilt, Wege aus der Gewalt zu suchen, die Menschen befreien und ihnen Zukunft ermöglichen, entweder durch Trennung oder, wenn die Gewaltopfer dies wollen, auch als Paar oder als Familie. Hierzu braucht es vielfältige Unterstützung, Seelsorge und Beratung.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Berliner Symposion: Zwischen theologischer Aussage und sozialgeschichtlicher Lebenswirklichkeit

Die Orientierungshilfe ist zunächst an dem Auftrag zu bemessen, den der Rat der EKD der Kommission gegeben hatte: sie solle über eine kirchliche Perspektive zur Familienpolitik beraten (S. 8). In der öffentlichen Diskussion nach der Veröffentlichung sind vor allem Aspekte thematisiert worden, die nicht eigentlich im Focus der Orientierungshilfe standen. Sie betreffen das Verständnis von Ehe, Sexualität und Lebensformen und fragen nach der den betreffenden Aussagen zugrunde liegenden theologischen, vor allem biblischen Orientierung.

Berliner Symposion: Suggerierte Eindeutigkeit einer komplexen Auslegung

1) "The War over the Family"1 lautet der Titel eines Buches, das die Soziologen Brigitte und Peter L. Berger veröffentlicht haben. Die Überschrift des einleitenden Kapitels lautet: "Die Familie - Ideologisches Schlachtfeld". Wer sich durch die Nachrichten über die Evangelische Kirche in Deutschland seit der Veröffentlichung der Orientierungshilfe liest, kann in der Tat den Eindruck gewinnen, wir befinden uns auf einem Schlachtfeld.

Berliner Symposion: Wie wird Ehe- und Familienethik "schriftgemäß"? Eine Zustimmung zur Orientierungshilfe

Den Voten der Orientierungshilfe, das sei vorweg gestellt, kann ich gut folgen, und ich halte ihre sozialethischen Anliegen für eine angemessene Interpretation und Applikation biblischer Ethik. Nicht verschwiegen sei, dass ich eine präzisere theologische Begründung wünschenswert finde, da der biblische Befund eher narrativ dargestellt wird, mit Unschärfen und Fehlern im Detail.

Berliner Symposion: Die Einleitung von Christoph Markschies

Wenn, lieber Nikolaus Schneider, liebe leitende Geistliche, meine Damen und Herren, liebe Frau Gerber, liebe Herren Härle, Horn und Tanner, den Vorsitzenden der Kammer für Theologie bittet, ein theologisches Symposium zu einer Orientierungshilfe des Rates zu moderieren, dann liegt ja offenbar ein theologisches Problem vor. Sonst hätte an meiner Stelle ja irgendein anderer, irgendeine andere stehen können.

Berliner Symposion: Begrüßung von Nikolaus Schneider

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
herzlich willkommen zum theologischen Symposion des Rates der EKD.

Sie alle haben sich in den letzten Wochen und Monaten auf unterschiedliche Weise mit der Orientierungshilfe des Rates der EKD "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie stärken" auseinandergesetzt. Wir freuen uns über die rege Diskussion innerhalb und außerhalb unserer Kirche zu diesem Papier. Ein kritischer – auch selbstkritischer! – Diskurs über ethische Orientierungshilfen in existentiellen Fragen steht dem Protestantismus gut an.

Nikolaus Schneider: "Das hat mit Zeitgeist-Surferei nichts zu tun"

epd: Bei der Vorstellung des EKD-Familienpapiers haben Sie dazu aufgerufen, gesamtgesellschaftlich eine Debatte zu führen. Die ist nun im vollen Gang. Sind sie damit zufrieden?

Offener Brief: Zehn Fragen an den Rat der EKD

(1) – Bitte informieren Sie über das "Instrumentarium": "Orientierungshilfe" (auch im Unterschied zur "Denkschrift"), über das "procedere" (bis hin zur Verabschiedung), über den Status von EKD-ad-hoc-Kommissionen, über deren Autorität und Legitimation, über die Verbindlichkeit solcher Verlautbarung in den verschiedenen EKD-Gliedkirchen. Es fällt auf, dass von einzelnen führenden EKD-Vertretern aufgrund der heftigen Kritik die vom Rat herausgegebene und verantwortete "Orientierungshilfe" zu einem "Diskussionspapier" herabgestuft werden soll. Was ist denn nun "Sache"?

Offene Fragen

Frau Präsidentin, hohe Synode! Angesichts der Zeitknappheit – ich sehe Ihren mahnenden Blick - möchte ich nur drei, vier Punkte klar stellen. Zunächst einmal danke ich für die Aussprache. Wir sind in einer Kirche der Freiheit, und wir werden in der Orientierungshilfe sogar zur Diskussion und zur Stellungnahme eingeladen. Das haben wir heute getan, und das finde ich richtig und in Ordnung.

Das Papier, darauf will ich noch einmal hinweisen, ist keine Denkschrift, wie es immer wieder heißt. Es ist eine Orientierungshilfe und hat dadurch natürlich auch eine andere Qualität.

Eine Entlastung für Menschen, die mit Brüchen leben müssen

Besonders begrüßt wird die Darstellung der Vielfalt von familialen Lebensformen in der heutigen Gesellschaft. Die Ehe mit Kindern wird in diesem Zusammenhang nur als eine mögliche Lebensform beschrieben, ohne diese zu überhöhen bzw. andere Formen abzuwerten. Vielfältige Familienformen seien bereits in der Bibel beschrieben. Eine Erhebung der Familienform mit Trauschein über alle anderen Familienformen ließe sich aus der Bibel nicht ableiten, wäre geradezu eine Verengung.

Ja zur Vielfalt von Familie!

Zu Berichten über eine Initiative gegen die im Juni präsentierte Orientierungshilfe der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ erklärt Christiane Reckmann, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie e.V.:

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