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Seit den 1970er Jahren steigt die Erwerbsbeteiligung von Müttern in Westdeutschland, wenn auch zunehmend in Teilzeit. Die Bildungsexpansion, von der insbesondere Mädchen und Frauen profitierten, die ökonomischen Veränderungen hin zur Dienstleistungsgesellschaft und die nicht zuletzt durch eine „neue“ Frauenbewegung angestoßenen kulturellen Veränderungen stellten die traditionelle Arbeits- und Rollenteilung in Frage. Obwohl mit der Familienrechtsreform von 1977 nun auch im Familienrecht partnerschaftliche Lebensentwürfe gelebt werden können und die „Zweiverdienerfamilie“ und „aktive Vaterschaft“ als neue Leitbilder gelten, stieg die Frauen- und Müttererwerbstätigkeit in Westdeutschland bis 1990 im Vergleich zu anderen westlichen Industrieländern (Skandinavien und Frankreich), erst recht aber zur DDR, nur sehr allmählich an. Der Grund hierfür waren und sind im Wesentlichen die normativen und strukturellen Rahmenbedingungen, die weiterhin die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung stützen, wie die auf das männliche Ernährermodell zugeschnittene Sozialversicherung, das Ehegattensplitting, Diskriminierungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und beim Lohn, vor allem die fehlenden Einrichtungen für die Kinderbetreuung. Große Wirkkraft entfaltet in Westdeutschland - im Gegensatz zu den Erfahrungen und der Lebenspraxis ostdeutscher Frauen - nach wie vor das typisch deutsche Leitbild der „guten Mutter“, deren Gegenbild, „die Rabenmutter“, in anderen europäischen Sprachen und Kulturen kaum verständlich zu machen ist.