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Mit der Einführung des Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, der die Gleichberechtigung von Mann und Frau begründet, war gemäß Art. 117 Grundgesetz nach 1953 eine Reform des Eherechts notwendig geworden. Zwischen der zugesicherten Gleichberechtigung der Frau und dem gemäß Art. 6 Grundgesetz garantierten besonderen Schutz von Ehe und Familie bestand jedoch von Anbeginn ein Spannungsverhältnis, das im Verlauf der vergangenen 50 Jahre Rechtsprechung und Gesetzgeber immer wieder beschäftigt hat, weil sich sowohl die Geschlechterverhältnisse als auch die Rahmenbedingungen für Familien, insbesondere die Erziehung von Kindern, in dieser Zeit entscheidend veränderten. Das Bundesverfassungsgericht war dabei ein entscheidender Schrittmacher für mehr Gleichberechtigung der Frau und die Rechte von Kindern. Doch es war ein langer Weg von der eher formalen Feststellung z.B. aus dem Jahr 1957, wonach „die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Frau“ nicht „von vornherein als ehezerstörend zu werten ist“ (BVerfGE 6, 55ff.), bis zu der Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1998, die zur Grundlage für neue politische Initiativen zur Neugestaltung des Kinderleistungsausgleichs und für den Ausbau der Kinderbetreuung geworden ist: Danach muss „der Staat [...] auch Voraussetzungen schaffen, dass die Wahrnehmung der familialen Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen führt, dass eine Rückkehr in eine Berufstätigkeit ebenso wie ein Nebeneinander von Erziehung und Erwerbstätigkeit für beide Elternteile einschließlich eines beruflichen Aufstiegs während und nach Zeiten der Kindererziehung ermöglicht und dass die Angebote der institutionellen Kindererziehung verbessert werden“ (BVerfGE 99, 234).

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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