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Die mit der Teilung Deutschlands 1949 beginnende Systemkonkurrenz zwischen BRD und DDR bzw. zwischen West- und Ostblock wurde insbesondere auch auf dem Feld der Familienpolitik ausgetragen. Statt auf die bürgerliche Familie für alle setzte die DDR auf Gleichberechtigung durch Erwerbstätigkeit. Die Gleichberechtigung der Frau war durch Art. 7 der DDR-Verfassung von 1949 garantiert und wurde unmittelbar in Kraft gesetzt. Weitere Verfassungsartikel traten unmittelbar für die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau (Art. 18), den „besonderen Mutterschutz“, Art. 32, die Gleichstellung der „außerehelich“ geborenen Kinder, Art. 33, sowie „das gleiche Recht auf Bildung und freie Wahl des Berufes“, Art. 35 DDR-Verfassung, ein. Das Mutter- und Kinderschutzgesetz von 1950 ergänzte diese Entwicklung durch die Außer-Kraftsetzung zentraler Bestimmungen des Familienrechts des BGB, z.B. durch die Aufhebung des Entscheidungsrechts des Ehemannes und der elterlichen Gewalt des Vaters, § 1354 BGB und § 1627 BGB, sowie durch die Einführung der Gütertrennung. Die Gleichberechtigung der Frau galt deshalb den Beteiligten als „eine der größten Errungenschaften“ der DDR und wurde durch materielle und soziale Hilfen für Mütter und Kinder sowie seit den 1970er Jahren durch ein ganzes Bündel sozialpolitischer Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestützt. Für die Kinder gab es von Geburt an eine an die Arbeitszeiten der Eltern angepasste soziale Infrastruktur von Kinderkrippen, Kindergärten und Schulhorten - wobei der SED-Staat seine Trägerschaft zur ideologischen Prägung der Kinder mit dem Ziel einer „allseits gebildeten sozialistischen Persönlichkeit“ zu nutzen suchte. Mit der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie sollte sowohl der „Wille zum Kind“ gestärkt als auch die Rekrutierung der Frauen als Arbeitskräfte ermöglicht werden. Schon 1970 lag die Erwerbsquote ostdeutscher Frauen um 20 Prozentpunkte über der der westdeutschen. 1989 erreichte die Frauenerwerbsbeteiligung fast 90% im Gegensatz zu 55% in Westdeutschland. Diesen sozialen „Errungenschaften“ stand allerdings die gravierende Einschränkung politischer und ziviler Freiheitsrechte gegenüber. Und trotz der selbstverständlichen Gleichberechtigung im Berufsleben ruhte die Hauptlast der alltäglichen Familienarbeit auch in der DDR auf den Frauen. Das erst 1965 verabschiedete Familiengesetzbuch (FGB) ging von einer Identität der Interessen von Staat, Gesellschaft und Familie aus und erklärte die Mitwirkung der Familie bei der „Entfaltung der sozialistischen Persönlichkeit“ zu ihrer Hauptfunktion. Schon damals wurde zunächst durch Rechtsverordnung, dann durch das FGB der Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten, i. d. R. der Frau, quasi abgeschafft, d.h. allenfalls zeitlich begrenzt bzw. nur bei Bedürftigkeit gezahlt. Für „die Nichtausübung eines Berufs (mussten) gesellschaftlich anerkennenswerte Gründe dafür vorliegen“ (Grandke 1981). Entgegen dieser politischen Zielsetzung blieb die Familie aber für viele eine - wie auch immer gefährdete und kontrollierte - Privatsphäre, in der sich, wie die Bürgerrechtsbewegung und ostdeutsche Frauenbewegung belegen, eigenständige Persönlichkeiten, individuelle Initiativen und Solidarität entwickeln konnten.