22

Für die westdeutsche Familienpolitik war die ostdeutsche - als kollektivistisch bezeichnete - Sozial- und Familienpolitik eine Negativfolie staatlicher Einflussnahme, vor der in den 1950er Jahren die Verbreitung des bürgerlichen Familienmodells nun für alle Bevölkerungsschichten begründet wurde. Denn über Krieg und Katastrophen und selbst Diktaturen hinweg hatte sich die Familie als Hege- und Schutzraum, als letzte Grundlage der sozialen Zuflucht und Sicherheit erwiesen und eine erstaunliche Widerstandskraft bewahrt. In den 1950er Jahren ermöglichte es nun das Wirtschaftswunder breiten Schichten in Westdeutschland, das Ideal der bürgerlichen Familie zu leben. Dass Frauen nicht „arbeiten mussten“, dass Kinder „keine Schlüsselkinder“ waren, war bis Ende der 1960er Jahre der Stolz vieler Familien im Westen. Die besondere Bedeutung der Familie für die Rückkehr zur Normalität und die Stabilisierung gesellschaftlicher Verhältnisse und damit auch für die Restrukturierung traditioneller Geschlechterrollen wird in vergleichenden Studien für alle westlichen, am Krieg beteiligten Industrienationen hervorgehoben. Die kollektive Sehnsucht nach Normalität und „heiler Welt“ hat Mythen, Ideale und wirkmächtige Rollenbilder (zum Beispiel im Blick auf die Mutterrolle und Mütterlichkeit) aufleben lassen, die schon damals nicht mehr in die prosperierende Industriegesellschaft passten.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ermutigung für das Wagnis familiären Lebens

Wie dem Inhaltsverzeichnis der Orientierungshilfe unschwer entnommen werden kann, ist dieses Papier vor allem ein familienpolitisches Papier. Mehr als die Hälfte dieser Orientierungshilfe behandelt Herausforderungen und Empfehlungen für die Familienpolitik. Dies deswegen, weil wir darüber besorgt sind, dass in der Sozialpolitik unseres Landes die Stärkung der Familie keine oberste Priorität mehr einnimmt. Hier wollten wir mit der Orientierungshilfe einen Akzent setzen, deswegen auch der Untertitel der Schrift "Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken".

Familie ist mehr als Vater, Mutter, Kind

Heute geht die Braut in Rot. Denn es ist ihre zweite Hochzeit. Mit Anfang fünfzig machen sie und ihr Bräutigam noch mal einen neuen Anfang - so wie viele andere Paare in ihrem Alter. Das Versprechen: Wir bleiben beieinander, bis dass der Tod uns scheidet… Mit Gottes Hilfe. Das hatten sich die meisten von ihnen schon einmal gegeben. Und dann kam das, was sie sich nie gewünscht haben: die Beziehung zerbrach. Manche hatten noch die silberne Hochzeit geschafft, aber die Goldene oder gar die Diamantene wie meine Großeltern, die ist für viele Paare heute in weite Ferne gerückt.

Kulturkampf um Ehe und Familie

Wer über Familie schreibt, schreibt über Fragen, die Menschen bis ins Tiefste treffen.
Nikolaus Schneider

Seiten