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Durch eine zunächst kaum beachtete Änderung des Personenstandsgesetzes ist die Evangelische Kirche in Deutschland schließlich auch herausgefordert worden, das evangelische Verständnis von Ehe und Eheschließung im Verhältnis zum staatlichen Eherecht zu überdenken. Die Neuregelung des Personenstandsgesetzes vom 1. Januar 2009 hob die frühere Vorschrift auf, wonach die standesamtliche, d. h. die bürgerlich rechtliche Eheschließung immer der kirchlichen Trauung vorausgehen musste. Mit dem Wegfall dieses Gebots entstand die Frage, ob es in Zukunft kirchliche Eheschließungen auch ohne vorherige rechtliche Bindung durch die Rechtsform der Ehe geben solle. Eine vom Rat der EKD eingesetzte Arbeitsgruppe, die sich intensiv mit dem Eheverständnis und der Traupraxis der evangelischen Kirche beschäftigte, kam zu dem Ergebnis, dass „es auch künftig in den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland keine rein kirchlich geschlossenen Ehen geben soll. Dem (in der gutachterlichen Äußerung) vorgetragenen evangelischen Verständnis von Ehe und Eheschließung entspricht es vielmehr, dass die Ehe als bürgerlich-rechtliche geschlossen und ihr in einem Gottesdienst Gottes Segen zugesprochen wird.“ (EKD-Texte 101, 22/23) Der Rat und die Kirchenkonferenz stimmten dem Ergebnis dieser Ausarbeitung zu und empfahlen sie als Orientierungshilfe, um weitere Aufgaben zu lösen, u. a.
- „dass es angesichts der sich verändernden historisch-kulturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen geboten ist, sich neu über das evangelische Verständnis von Ehe und Eheschließung zu vergewissern, ...
- dass auf die gegebene Vielfalt der Formen des Zusammenlebens liturgisch so zu reagieren ist,
- dass für Paare, denen die römisch-katholische Kirche eine kirchliche Eheschließung ohne Anbindung an die Zivilehe anbietet, auf evangelischer Seite geeignete gottesdienstliche Formen zu entwickeln und zu erproben sind.“ (ebda. 24)