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Nach Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (v. 3.12.2009) und anschließend des Bundesverfassungsgerichts (v. 21.7.2010) hat der Gesetzgeber den Schutz der sozialen Familie zugunsten eines gemeinsamen Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern weiter erleichtert. Wenn nicht beide Eltern ohnehin eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgeben - was bei über 60% der nicht verheirateten Eltern der Fall ist ?, kann der Vater einen Antrag auf gemeinsames Sorgerecht stellen. Falls die Mutter widerspricht, entscheidet das Familiengericht, ob die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl entspricht. Anders als beim Sorgerecht hat der rechtliche Vater immer ein grundrechtlich geschütztes Umgangsrecht - genauso wie der Vater eines ehelichen Kindes.

Nach einer Trennung bzw. Scheidung bleibt es beim gemeinsamen Sorgerecht, es sei denn, ein Elternteil stellt einen Antrag auf Alleinsorge. „Stiefeltern“ (d. h. der Ehegatte/Lebenspartner eines allein sorgeberechtigten Elternteils) dürfen in „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil mitentscheiden (§1687 b BGB). Befindet sich ein Kind längere Zeit in Familienpflege (§ 33 SGB VIII), geht der Gesetzgeber davon aus, dass zwischen dem Kind und seinen Pflegeeltern eine enge soziale Bindung entstanden sein kann. Deshalb ist auch die aus dem Kind und den Pflegeeltern bestehende Pflegefamilie durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt. In einer Lebenspartnerschaft kann eine bzw. einer der Partner das leibliche wie auch das adoptierte Kind seines Lebenspartners bzw. seiner Lebenspartnerin auf Antrag annehmen ( BVerfGE v. 19.02.2013); das Kind wird gemeinschaftliches Kind beider Lebenspartner, für das beide die gemeinsame Sorge haben (§ 9 Abs. 7 LPartG, vgl. Hk-LPartR/Kemper [2006] § 9 Rn. 38).

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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