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Auch für die Reformatoren war Ehe und Familie vor allem durch die göttliche Liebe geprägt. Für sie war die Ehe aber auch eine soziale Gemeinschaft, die in der größeren Gemeinschaft der Gläubigen aufgeht und von ihr getragen wird. Dabei wurde beiden Geschlechtern eine je eigene Bedeutung zugewiesen: Mit der von Luther geprägten Vorstellung vom Beruf als innerweltlichem Gottesdienst wurde auch die Mutterschaft neu interpretiert: Die Rolle der Hausfrau, Mutter und Gattin als Mittelpunkt der Familie wurde für Jahrhunderte prägend und spiegelt sich bis heute in den Konzepten von Familien- und Sozialpolitik. Mit dieser Vorstellung von Mutterschaft als Beruf ging nicht nur die Aufteilung von Geschlechterrollen, sondern auch die Erfindung von Kindheit als eigenständiger Lebensphase einher. Sie hat sich seit dem 18. Jahrhundert immer deutlicher entwickelt und wurde mit dem spezifisch weiblichen Erziehungsauftrag verknüpft, hinter dem die Überzeugung von einer besonderen Qualität der „Mutterliebe“ stand, die bis heute eine große Rolle spielt. Dabei wird die „natürliche“ Bindung der Mütter an ihre Kinder ebenso hervorgehoben wie die besondere Begabung von Frauen zu Erziehung und Pflege. Vor diesem Hintergrund entstand das Ideal der bürgerlichen Familie als Raum der Liebe und Fürsorge, dessen hierarchische Geschlechterordnung allerdings spätestens mit den Emanzipationsbewegungen des 19. Jahrhunderts erheblich in die Kritik geriet. Angesichts starrer Geschlechterrollen und Moralkonzepte fehlte es vor allem Frauen an eigenen Entfaltungsmöglichkeiten. Heute wissen wir: Ein Verständnis der bürgerlichen Ehe als „göttliche Stiftung“ und der vorfindlichen Geschlechter-Hierarchie als Schöpfungsordnung entspricht weder der Breite biblischer Tradition noch dem befreienden Handeln Jesu, wie es die Evangelien zeigen.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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