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Wenn Menschen einander nahekommen wollen, brauchen sie Zeit. Eltern möchten Zeit haben für ihre Kinder, Kinder möchten Zeit mit ihren Eltern verbringen, Paare brauchen Zeit für erfüllte Sexualität, gemeinsame Gespräche und Erfahrungen, alle Familienmitglieder brauchen auch Zeit für sich selbst, und schließlich brauchen Familien auch Zeit für andere soziale Netzwerke, wie z.B. die Kirchengemeinde oder Vereine. Viele Paare und Familien erleben Zeit aber heute als knappes Gut. Angesichts der unterschiedlichen beruflichen und schulischen Herausforderungen wird „Zeit als Paar“ oder „Familienzeit“ zu einer Gestaltungsaufgabe, an der alle Partner und Familienmitglieder immer wieder von Neuem beteiligt sind. Gemeinsame Mahlzeiten, freie Stunden am Wochenende, selbst Familienbesuche oder der gemeinsame Urlaub bilden ein Geländer für gemeinsame Erfahrung, müssen aber angesichts der vielfältigen Anforderungen oft langfristig geplant werden. Lebensphasen und Lebenszeiten werden unterschiedlich erfahren und gestaltet. Arbeitszeit und Familienzeiten haben einen verschiedenen Rhythmus und widersprüchliche Anforderungen. Diese unterschiedlichen Zeittakte können in der Familie konfliktträchtig aufeinanderprallen. Schließlich sind die Partner oder Familienmitglieder auch in unterschiedliche Zeitstrukturen wie Arbeitszeiten, Schul-, Behörden- und Verkehrszeiten eingebunden. Vielen Menschen sind diese Zeiten der Gemeinsamkeit als Ausgleich zu ihrem Schul- oder Berufsleben wertvoll. Auch umgekehrt wird die Zeit in sozialen, schulischen oder beruflichen Kontexten jenseits der partnerschaftlichen und familiären Beziehungen als wichtiger Teil des Lebens geschätzt: Neben der bewusst gemeinsam verbrachten Zeit gilt es auch, die Zeit für Haus- und Sorgearbeit zu berücksichtigen, die einen nicht unerheblichen Teil gemeinsam erlebter Zeit ausmacht.
Debattenbeiträge zu diesem Kapitel