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Weltweite Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft wie die Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, das Erfordernis der Mobilität und die zunehmende Prekarisierung von Erwerbsarbeit vor allem im Bereich der Dienstleistungen haben die Gesellschaft stark verändert und das in Westdeutschland vorherrschende männliche Versorger- und Ernährermodell spätestens seit 1990 brüchig werden lassen. Die Veränderungen in der Erwerbsarbeit haben nachhaltige Auswirkungen auf die privaten Lebensformen der Familien. Die verschiedenen Formen ungesicherter, befristeter und nicht Existenz sichernder Beschäftigungsverhältnisse beeinträchtigen die Lebens- und Familienplanung gerade auch in der „Rush hour“ des Lebens, in der für den Beruf und die Gründung einer Familie gleichzeitig die Weichen gestellt werden müssen. An die Stelle des männlichen Ernährermodells ist daher zunehmend ein sog. modernisiertes Ernährermodell getreten, das durch die Zuarbeit der Frau zum Familieneinkommen gekennzeichnet ist. Inzwischen kommen nun auch Frauen als Familienernährerinnen in den Blick. In einem Drittel der Familienhaushalte erwirtschaften heute Mütter und Väter zu gleichen Anteilen das Familieneinkommen. Aber immer mehr Mütter bestreiten das Hauptfamilieneinkommen. Das ist zum einen die große Zahl der Alleinerziehenden, zum anderen handelt es sich um jene Familien, in denen Frauen überwiegend oder ganz für den Familienunterhalt aufkommen, weil ihre Ehemänner oder Partner als Arbeitslose, niedrig oder prekär Beschäftigte keinen größeren Beitrag zum Haushaltseinkommen leisten können. Schließlich haben die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre (Hartz-Reformen) im Einklang mit europäischen Beschäftigungsnormen die Verpflichtung aller erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder verstärkt, zur Erwirtschaftung des Haushaltseinkommens beizutragen (das sog. adult worker model). Die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt ist daher längst nicht mehr nur der Forderung nach Emanzipation geschuldet, sondern hat sich für die Mehrheit der Familien zu einer ökonomischen Notwendigkeit gewandelt.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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