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Familien- und Hausarbeit umfasst einen ganzen Komplex von Tätigkeiten, in dem routinemäßige instrumentell-technische Tätigkeiten und Beziehungsarbeit - Erziehungs- und Pflegeleistungen sowie emotionale Zuwendung - miteinander verknüpft werden. Dies macht sie gleichermaßen anspruchsvoll wie häufig unterbewertet. Dabei übersteigt das Stundenvolumen der in den privaten Haushalten der Bundesrepublik Deutschland erbrachten unbezahlten Hausarbeit das der bezahlten Erwerbsarbeit bei Weitem (vgl. Schäfer 2004, 258). Familienarbeit ist somit ein wichtiger Bestandteil gesellschaftlich notwendiger Arbeit und zugleich die meistens unsichtbare, aber unverzichtbare Grundlage unseres gesellschaftlichen Reichtums und des allgemeinen Wohls. Zudem ist die verlässliche Übernahme der täglich anfallenden Hausarbeit in Verbindung mit der Erziehung von Kindern oder der Pflege und Sorge für andere eine fürsorgliche Praxis,sie ist jedoch nicht nur Last oder Pflicht, sondern eine sinnerfüllte Tätigkeit. Sie ist „Sorge für die Welt“. Welt meint hier - im Sinne Hannah Arendts - „den unersetzlichen Zwischenraum, der zwischen dem Menschen und seinem Mitmenschen“ zu gestalten ist (Arendt 1960, 7). Warum aber sollten diese Aufgaben und Erfahrungen nur einem Geschlecht vorbehalten sein?

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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