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Angesichts der Schwierigkeiten der in vielen Fällen finanzschwachen Kommunen, allein das quantitative Ausbauziel zu erreichen, droht die Verbesserung der Qualität der angebotenen Bildungs- und Betreuungsplätze zu kurz zu kommen. Die Finanzierung von Bildungsangeboten fällt bei defizitären Haushalten unter die „Schuldengrenze“, weil Investitionen in Bildung bislang viel zu wenig als Zukunftssicherung begriffen werden. Im Wissen um die vertieften Erkenntnisse über die frühkindliche Entwicklung wird deutlich, dass die Qualifikation der Fachkräfteeine wissenschaftlich fundierte Ausbildung und hohe Beziehungskompetenzen voraussetzt. Damit hat sich das berufliche Anforderungsprofil von Erzieherinnen und Erziehern grundlegend gewandelt. Es wird deshalb unumgänglich sein, neue Ausbildungs-, Fort- und Weiterbildungsangebote zu entwickeln, zumal in anderen europäischen Ländern ein Abschluss auf Fachhochschulniveau als Eingangsvoraussetzung erforderlich ist. Der gegenwärtige Trend, die gestiegene - mitunter auch universitäre - Ausbildungsqualität auf demselben niedrigen Entlohnungsniveau zu belassen, ist beispiellos und wäre in einem von Männern dominierten Berufsfeld undenkbar. Auf neue Herausforderungen und Mehrkosten in diesem Bereich müssen sich nicht nur kommunale, sondern auch kirchliche Träger einstellen. Das ist insbesondere dann nötig, wenn Tageseinrichtungen für Kinder zu Familienzentren weiterentwickelt werden.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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