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Bis in die 1980er Jahre hinein wurden Familienbeziehungen kaum mit Gewalt und Vernachlässigung in Verbindung gebracht. Die Anwendung von Gewalt war tabuisiert und als „seltene“ Ausnahme gesehen, die anscheinend nur in bestimmten Familien am Rand der Gesellschaft vorkommt. Das Idealbild der Familie war verbunden mit dem Anspruch auf Liebe und harmonische innerfamiliäre gewaltfreie Beziehungen. Durch den Anstoß der neuen formierten Frauenbewegung der 1970er Jahre wurde das Tabu der „heilen“ Familie gebrochen. Erste Untersuchungen ließen das Ausmaß alltäglicher Gewalt in Familien sichtbar werden (Hagemann et al. 1981). Durch feministische Initiativen wurden erste Beratungsstellen und Frauenhäuser gegründet. Auch in der DDR war das Thema häusliche Gewalt tabuisiert, es vertrug sich nicht mit der „idealen“ sozialistischen Gesellschaft. Gewalt und Vernachlässigung im sozialen Nahraum, innerhalb der Familie, haben gravierende Folgen. Sie können Gesundheit und Lebensqualität lebenslang beeinflussen. In dem 1990 veröffentlichten Bericht einer Kommission der Bundesregierung zur Untersuchung von Gewalt wurde festgestellt, dass Gewalt in der Familie die „verbreitetste“ Form von Gewalt ist (Schwind et al. 1990, 75). Gewalt kann körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt, sexuelle Belästigung und psychische Gewalt oder auch Vernachlässigung bedeuten. Sie betrifft im engen sozialen Umfeld vor allem Kinder (Mädchen und Jungen) und Frauen.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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