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Mit dem Zuzug von Arbeitsmigranten seit den 1960er Jahren sind auch andere Familienkulturen in Deutschland relevant geworden. Migrantenfamilien leben nicht generell - wie häufig angenommen - „traditioneller“ als einheimische Familien: So haben osteuropäische, aber auch afrikanische Familien in Deutschland höhere Anteile von Alleinerziehenden als die einheimische Bevölkerung. In Deutschland fällt der Blick allerdings besonders auf die türkischen Familien, deren Anteil an den Familien mit verheirateten Elternpaaren mit knapp 92% deutlich über dem der Einheimischen liegt (79%) und ebenso alle anderen Einwanderergruppen übertrifft (BMFSFJ 2010c). Insgesamt gesehen, sind deutlich weniger Frauen mit Migrationshintergrund erwerbstätig als einheimische. Auch hier ist die besonders niedrige Erwerbsquote türkischer Frauen die Ursache. In fast allen anderen Einwanderergruppen sind Frauen sogar mehr als einheimische erwerbstätig. Von einem Familienleitbild aller Migrantenfamilien kann also nicht gesprochen werden. Wesentlich ist der kulturelle Hintergrund der einzelnen Migrantenfamilien. Vor die größten Herausforderungen sehen sich Familien aus ländlichen Regionen ihrer Herkunftsländer gestellt. Wo traditionell landwirtschaftliche Subsistenzgemeinschaften weitgehend ohne wohlfahrtsstaatliche und zivilrechtliche Rahmungen dominieren, sind Familien auf starken Zusammenhalt und gemeinschaftsorientierte Regel- und Austauschsysteme angewiesen. Die familiale Wohlfahrtsproduktion beruht hier auf einer generational und geschlechtlich segregierten Arbeitsteilung. Auch bei Familien, in deren Heimatland Modernisierungsprozesse zu Veränderungen führen, gewinnt die Familienbindung an ihrem neuen Lebensmittelpunkt in einem zunächst fremden Land nochmals an Bedeutung. Das gilt umso stärker, je mehr die aufnehmende Gesellschaft als zurückweisend, ablehnend und diskriminierend erlebt wird.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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