6. Herausforderungen und Brennpunkte der Familienpolitik

Familien sind sinnstiftender Lebensraum und Orte verlässlicher Sorge. In Familien werden unverzichtbare Leistungen für Wirtschaft und Gesellschaft erbracht und sozialer Zusammenhalt gestiftet. Sie stehen nach wie vor an erster Stelle, wenn Menschen in Notlagen geraten. Andererseits werden Familien auch vor neue gesellschaftliche Erwartungen und Anforderungen gestellt und fühlen sich zum Teil erheblich überfordert. Alle Familien sind deshalb darauf angewiesen, dass ihre Leistungen und ihre Bedeutung für die Gesellschaft anerkannt und unterstützt werden.

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Familien werden heute weniger als Rechtsgemeinschaft mit festen Rollen von Mann und Frau, Eltern und Kindern verstanden. Sie sind unterschiedlicher geworden, verändern sich, aber sie funktionieren und entwickeln ihre eigenen Stärken. Die meisten Menschen wünschen sich Familie und sehnen sich danach, in einer Familie zu leben. Studien wie die Shell-Jugendstudie zeigen, dass die Beziehungen zwischen Kindern und ihren Eltern liebevoller und wärmer geworden sind; Eltern sind oft wichtige Vorbilder, aber auch die Freundinnen und Freunde ihrer Kinder. Gleichwohl zerbrechen Familien an äußerer und innerer Überforderung; sie brauchen deshalb Zeit füreinander, gesellschaftliche Unterstützung und Hilfe in Krisensituationen. Im Folgenden sollen die wichtigsten „Brennpunkte“ angesprochen werden, die Familien heute erleben und in denen sich neue Herausforderungen und Veränderungsprozesse exemplarisch spiegeln.

6.1 Zeit füreinander - Alltag und Fest

Gemeinsame Zeit in der Familie entsteht nicht von selbst, sondern muss aktiv von den Familienmitgliedern „hergestellt“ werden. Erwerbsarbeitszeit, Schule und Unterricht, Freizeit, Sport und ehrenamtliches Engagement finden in unterschiedlichen Rhythmen und zu unterschiedlichen Zeiten statt, stellen verschiedene Ansprüche an die Einzelnen und können miteinander kollidieren. Familien brauchen aber gemeinsame Zeit, um sich als zusammengehörig zu erfahren. Gemeinsame Feiern, Feste und Rituale stützen und stärken den Zusammenhalt. Unverzichtbar ist der Sonntag als gemeinsamer erwerbs-, schul- und einkaufsfreier Tag, an dem für Gottesdienst, Gemeinsamkeit und Muße Zeit ist.

57 Wenn Menschen einander nahekommen wollen, brauchen sie Zeit. Eltern möchten Zeit haben für ihre Kinder, Kinder möchten Zeit mit ihren Eltern verbringen, Paare brauchen Zeit für erfüllte Sexualität, gemeinsame Gespräche und Erfahrungen, alle Familienmitglieder brauchen auch Zeit für sich selbst, und schließlich brauchen Familien auch Zeit für andere soziale Netzwerke, wie z.B. die Kirchengemeinde oder Vereine. Viele Paare und Familien erleben Zeit aber heute als knappes Gut. Angesichts der unterschiedlichen beruflichen und schulischen Herausforderungen wird „Zeit als Paar“ oder „Familienzeit“ zu einer Gestaltungsaufgabe, an der alle Partner und Familienmitglieder immer wieder von Neuem beteiligt sind. Gemeinsame Mahlzeiten, freie Stunden am Wochenende, selbst Familienbesuche oder der gemeinsame Urlaub bilden ein Geländer für gemeinsame Erfahrung, müssen aber angesichts der vielfältigen Anforderungen oft langfristig geplant werden. Lebensphasen und Lebenszeiten werden unterschiedlich erfahren und gestaltet. Arbeitszeit und Familienzeiten haben einen verschiedenen Rhythmus und widersprüchliche Anforderungen. Diese unterschiedlichen Zeittakte können in der Familie konfliktträchtig aufeinanderprallen. Schließlich sind die Partner oder Familienmitglieder auch in unterschiedliche Zeitstrukturen wie Arbeitszeiten, Schul-, Behörden- und Verkehrszeiten eingebunden. Vielen Menschen sind diese Zeiten der Gemeinsamkeit als Ausgleich zu ihrem Schul- oder Berufsleben wertvoll. Auch umgekehrt wird die Zeit in sozialen, schulischen oder beruflichen Kontexten jenseits der partnerschaftlichen und familiären Beziehungen als wichtiger Teil des Lebens geschätzt: Neben der bewusst gemeinsam verbrachten Zeit gilt es auch, die Zeit für Haus- und Sorgearbeit zu berücksichtigen, die einen nicht unerheblichen Teil gemeinsam erlebter Zeit ausmacht.
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Zu fragen ist aber auch, welche schulischen und beruflichen Rahmenbedingungen nötig sind, damit Eltern und Kinder, aber auch Paare gemeinsam etwas unternehmen können. Wenn alle Familienmitglieder zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten und lernen, bleibt keine Gemeinsamkeit. Da die Qualität des gemeinsamen Lebens eng verbunden ist mit zeitlichen Möglichkeiten und Verpflichtungen im Alltag und im Lebenslauf, braucht es verlässliche Zeiten, über die die Familie gemeinsam verfügen kann. Gerade für Kinder hat gemeinsam verbrachte Zeit eine herausragende Bedeutung: Sie stiftet Nähe, ermöglicht gegenseitige Anteilnahme, Unterstützung und Fürsorge. Familiale Routinen (Mahlzeiten) und Rituale (Zubettbringen) spielen dabei eine besondere Rolle. Ebenso wichtig sind die beiläufigen und nicht geplanten Zeiten, in denen Familienmitglieder einfach nur zusammen an einem Ort sind, ohne gezielt etwas Gemeinsames zu unternehmen. Wichtig ist Kindern nicht unbedingt, dass sie besonders viel Zeit mit den Eltern verbringen, sondern die verlässliche Anwesenheit der Eltern, vor allem abends und am Wochenende. Kinder wünschen sich eine verlässliche und vorhersehbare Chance, mit ihren Eltern spielen und lernen zu können. Überdies melden sie Ansprüche an die Begleitung in besonderen Situationen an. Wenn, dann wünschen sie sich vor allem mehr Zeit mit ihren Vätern (Hurrelmann/Andresen 2010, 92). Bemerkenswert ist, dass es nicht in erster Linie die Kinder mit zwei erwerbstätigen Eltern sind, die mit der elterlichen Zuwendung unzufrieden sind, sondern vorrangig Kinder von arbeitslosen und nicht erwerbstätigen Eltern sowie von erwerbstätigen Alleinerziehenden (ebd.).

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Als fester freier Tag in der Woche eröffnet der Sonntag vielen Familien Zeit für Gemeinschaft, Zeit für andere Menschen, für sich selbst und im Besonderen für Gott. Wer so beschäftigt und betriebsam ist, dass er die Beziehung zu seinen Nächsten vernachlässigt und sich auch selbst nicht mehr spürt, kann kaum spirituelle Erfahrungen machen. Denn auch und gerade Religion lebt aus Treue, und Glaube bedeutet, dass wir in allem, was wir sind und tun, auf Gott bezogen bleiben. Sonntag und Gottesdienst geben Gelegenheit, das zu spüren. Anders als andere gemeinsame freie Tage ist der Sonntag auch gesellschaftlich als Tag für Gemeinschaft aus dem Alltag „ausgegrenzt“ und respektiert. Der Sonntag ist eine „andere Zeit“, so wie auch die Festzeiten des Kirchenjahres. Feste wie Weihnachten oder Ostern, die auch Familien ihren Rhythmus geben und mit Familiengeschichten verbunden werden, bieten die Möglichkeit, Leben gemeinsam zu gestalten und zu feiern und dabei zu erfahren, wie unsere Alltagswirklichkeit in der Tiefe mit einer anderen, spirituellen Dimension zusammengehört.

Genauso wichtig sind Feste im Lebenslauf wie Hochzeitstage oder runde Geburtstage, die Familien zusammenführen und Anlass zum Wiedersehen und Feiern geben. In einer mobilen Gesellschaft erfordern sie aber auch ein besonderes Engagement von Familienmitgliedern, damit sie gelingen. Taufen und Beerdigungen werden bei einer kleiner werdenden Verwandtschaft oft nur noch im kleinen Kreis gefeiert. Auf den Kauf von Familiengrabstellen wird zunehmend zugunsten anonymer Gräberfelder verzichtet. Damit gehen zugleich wichtige Bezugspunkte für die Familiengeschichte verloren. Familienfeste bieten die Chance, Beziehungen zu vertiefen, Veränderungen wahrzunehmen und das Leben neu zu gestalten. Freudige Ereignisse wie Taufe und Trauung oder auch Jubiläen sind immer auch mit Umbrüchen und Abschieden im Leben der Familie verbunden. Umgekehrt bedarf der Abschied eines Menschen aus dem Familienverband der gemeinsamen Erinnerung und Trauer, damit Dankbarkeit und Neuanfänge Raum gewinnen können. Christliche Gemeinden können Familien dabei unterstützen, sensibel und kreativ mit Passagen im Lebenslauf umzugehen. Immer häufiger stehen Familien vor der Aufgabe, Familienfeste mit der Verwandtschaft der getrennt lebenden Partner oder auch mit neu hinzugekommenen Familienmitgliedern zu feiern. Damit Menschen sich darin nicht allein gelassen fühlen, bedürfen sie der einfühlsamen Begleitung.

6.2 Erwerbsarbeit und Sorgetätigkeiten in der Familie

Die Gleichzeitigkeit von Erwerbsarbeit und familiärer Sorge wird vor allem als Problem der Kinder und ihrer Mütter wahrgenommen. Erst in jüngster Zeit sind familienfreundliche Arbeitszeiten auch ein Thema für Väter. Die Zunahme der Mütter-Erwerbstätigkeit geht vor allem auf eine Zunahme von Teilzeitarbeit und prekärer Beschäftigung zurück, das Erwerbsarbeitsvolumen von Frauen hat dagegen nicht zugenommen. Gleichwohl hat das zumindest in Westdeutschland lange vorherrschende männliche Ernährermodell an Dominanz eingebüßt und ist durch vielfältige Arrangements abgelöst worden: das modernisierte Ernährermodell mit der zuverdienenden Partnerin, zwei in Vollzeit erwerbstätige Elternteile, aber auch Frauen als Familienernährerinnen, insbesondere im Falle der Alleinerziehenden. Unabhängig davon, wie viele Stunden Frauen erwerbstätig sind, obliegt ihnen in jedem Fall die Hauptlast der Haus- und Sorgearbeit. Zwar hat der technische Fortschritt die Hausarbeit zum Teil erleichtert und verändert, doch ist das Stundenvolumen gleich geblieben. Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit in der Familie ist vor allem durch persönliche Beziehungen geprägt und nicht gleichermaßen von bezahlten Kräften leistbar. Wo das dennoch geschieht, handelt es sich in der Regel um Schwarzarbeit oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse, in denen Hausarbeit auf andere Frauen, meistens Migrantinnen, verlagert wird.

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Die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit ist in Westdeutschland seit den 1960er Jahren ein Kernpunkt familien- und sozialpolitischer Debatten und bis heute ein nicht gelöstes Problem, weil die normativen Leitbilder und tradierten Geschlechterrollen nicht mit dem sozialen Wandel und der ökonomischen Entwicklung Schritt hielten. Insbesondere die Frage der Erwerbstätigkeit von Müttern stand mit der „Normalisierung“ der Lebensverhältnisse nach zwei Weltkriegen und zunehmender Prosperität sowohl in der politischen Öffentlichkeit als auch in der Forschung im Zentrum ideologisch geführter Auseinandersetzungen, zumal sich westdeutsche Politik in dieser Zeit in deutlicher Abgrenzung von der in der DDR durchgesetzten Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt und der damit notwendigen Versorgung mit Einrichtungen zur „kollektiven“ Kleinkinderziehung als wertkonservative Alternative profilierte. Bis heute werden leidenschaftliche Debatten über eine mögliche Schädigung insbesondere frühkindlicher außerhäuslicher Betreuung vor dem dritten Lebensjahr geführt. Eine repäsentative Langzeitstudie liegt für Deutschland nicht vor, ein erster Schritt in diese Richtung sind die NUBBEK-Studien (2012). Der kritische Vergleich internationaler Studien zeigt, dass es insbesondere auf die Qualität der Einrichtungen (Gruppengröße, Qualifikation der Fachkräfte) sowie die Kooperation mit den Eltern ankommt. Einigkeit besteht ebenso darüber, dass Kinder aus bildungsungewohnten Familien deutlich mehr von außerhäuslicher Kindertagesbetreuung profitieren als Kinder aus bildungsnahen Familie. Ebenso unstrittig ist die große Bedeutung von Feinfühlichkeit und Responsivität der primären Beziehungspersonen, meist der Mütter (NUBBEK 2012; Rossbach 2006).

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Seit den 1970er Jahren steigt die Erwerbsbeteiligung von Müttern in Westdeutschland, wenn auch zunehmend in Teilzeit. Die Bildungsexpansion, von der insbesondere Mädchen und Frauen profitierten, die ökonomischen Veränderungen hin zur Dienstleistungsgesellschaft und die nicht zuletzt durch eine „neue“ Frauenbewegung angestoßenen kulturellen Veränderungen stellten die traditionelle Arbeits- und Rollenteilung in Frage. Obwohl mit der Familienrechtsreform von 1977 nun auch im Familienrecht partnerschaftliche Lebensentwürfe gelebt werden können und die „Zweiverdienerfamilie“ und „aktive Vaterschaft“ als neue Leitbilder gelten, stieg die Frauen- und Müttererwerbstätigkeit in Westdeutschland bis 1990 im Vergleich zu anderen westlichen Industrieländern (Skandinavien und Frankreich), erst recht aber zur DDR, nur sehr allmählich an. Der Grund hierfür waren und sind im Wesentlichen die normativen und strukturellen Rahmenbedingungen, die weiterhin die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung stützen, wie die auf das männliche Ernährermodell zugeschnittene Sozialversicherung, das Ehegattensplitting, Diskriminierungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und beim Lohn, vor allem die fehlenden Einrichtungen für die Kinderbetreuung. Große Wirkkraft entfaltet in Westdeutschland - im Gegensatz zu den Erfahrungen und der Lebenspraxis ostdeutscher Frauen - nach wie vor das typisch deutsche Leitbild der „guten Mutter“, deren Gegenbild, „die Rabenmutter“, in anderen europäischen Sprachen und Kulturen kaum verständlich zu machen ist.

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Seit 1990 ist die Frauenerwerbsquote in Gesamtdeutschland - insbesondere aufgrund des Erwerbsverhaltens ostdeutscher Frauen, das vor der Vereinigung bei 90% lag - weiterhin gestiegen. Die Frauenerwerbsquote in Deutschland liegt heute im europäischen Vergleich über der von der Europäischen Union in ihrer Lissabon-Strategie seit 2010 geforderten Zielvorgabe von 60%, jedoch um den Preis hoher Teilzeitquoten (BMFSFJ 2011). Denn die Zahlen verdecken die Tatsache, dass sich hinter der höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen ein dramatischer Anstieg von Teilzeit- und geringfügigen bzw. prekären Beschäftigungen verbirgt, der Umfang des Arbeitsvolumens und das damit erzielbare Einkommen aber insgesamt nicht zugenommen haben. Wegen der Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen, die im Durchschnitt aller Branchen in Deutschland nach wie vor 23% (ebd.) betragen, sind diese Formen der Erwerbstätigkeiten nicht Existenz sichernd und ermöglichen weder wirtschaftliche Eigenständigkeit noch Unabhängigkeit. Darüber hinaus fördern sie systematisch die Altersarmut von Frauen, insbesondere von Müttern, da die für Kinder und/oder pflegebedürftige Angehörige aufgebrachte Zeit nach wie vor nur unzureichend als Anspruch begründend anerkannt wird.

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Weltweite Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft wie die Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, das Erfordernis der Mobilität und die zunehmende Prekarisierung von Erwerbsarbeit vor allem im Bereich der Dienstleistungen haben die Gesellschaft stark verändert und das in Westdeutschland vorherrschende männliche Versorger- und Ernährermodell spätestens seit 1990 brüchig werden lassen. Die Veränderungen in der Erwerbsarbeit haben nachhaltige Auswirkungen auf die privaten Lebensformen der Familien. Die verschiedenen Formen ungesicherter, befristeter und nicht Existenz sichernder Beschäftigungsverhältnisse beeinträchtigen die Lebens- und Familienplanung gerade auch in der „Rush hour“ des Lebens, in der für den Beruf und die Gründung einer Familie gleichzeitig die Weichen gestellt werden müssen. An die Stelle des männlichen Ernährermodells ist daher zunehmend ein sog. modernisiertes Ernährermodell getreten, das durch die Zuarbeit der Frau zum Familieneinkommen gekennzeichnet ist. Inzwischen kommen nun auch Frauen als Familienernährerinnen in den Blick. In einem Drittel der Familienhaushalte erwirtschaften heute Mütter und Väter zu gleichen Anteilen das Familieneinkommen. Aber immer mehr Mütter bestreiten das Hauptfamilieneinkommen. Das ist zum einen die große Zahl der Alleinerziehenden, zum anderen handelt es sich um jene Familien, in denen Frauen überwiegend oder ganz für den Familienunterhalt aufkommen, weil ihre Ehemänner oder Partner als Arbeitslose, niedrig oder prekär Beschäftigte keinen größeren Beitrag zum Haushaltseinkommen leisten können. Schließlich haben die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre (Hartz-Reformen) im Einklang mit europäischen Beschäftigungsnormen die Verpflichtung aller erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder verstärkt, zur Erwirtschaftung des Haushaltseinkommens beizutragen (das sog. adult worker model). Die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt ist daher längst nicht mehr nur der Forderung nach Emanzipation geschuldet, sondern hat sich für die Mehrheit der Familien zu einer ökonomischen Notwendigkeit gewandelt.

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Jenseits ökonomischer Zwänge orientieren sich junge Männer und Väter nicht mehr selbstverständlich am Leitbild des „Familienernährers“. Der „aktive Vater“ ist nicht nur in vielen Werbespots präsent. Auf der Ebene der Einstellungen hat die Zustimmung zu gleichberechtigten Formen der Partnerschaft deutlich zugenommen. Rund drei Viertel (71%) der Männer in Deutschland möchten gerne aktive Väter sein (Fthenakis/Minsel 2002, 65ff.). Allerdings sieht die praktische Umsetzung anders aus. Nur rund ein Fünftel der Männer in Deutschland praktizieren engagierte Vaterschaft (Volz/Zulehner 2009, 69ff. und 88ff.). Damit wird Vereinbarkeit von einem Frauen- und Familienthema nur sehr allmählich auch zu einem Männerthema, denn Väter begegnen in ihrer Berufswelt ähnlichen Widerständen wie berufstätige Mütter. Hinderlich für die Vereinbarkeit und mehr Engagement in der Familie ist nicht zuletzt eine ausgeprägte „Anwesenheitskultur“ in deutschen Unternehmen. Andererseits zeigen die Ergebnisse des Familien-Audit, dass Unternehmungen bzw. Verwaltungen, die mit Müttern wie Vätern flexible familienfreundliche Regelungen praktizieren, gute Erfahrungen machen: zufriedene Mitarbeitende sind bessere Mitarbeitende. Familienfreundliche Arbeitsplätze und Arbeitszeiten scheinen selbst in kleineren bzw. Mittelbetrieben leichter realisierbar zu sein, wenn Vorgesetzte selbst Väter sind oder waren. Hauptwünsche der Väter sind eine Reduktion und eine Flexibilisierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit. Auf der Wunschliste der Mütter steht hingegen eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit.

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Eine gleichberechtigte Aufteilung der Familien- und Erwerbsarbeit wird bislang zu wenig vorgelebt, sie ist zudem in Gesellschaft, Öffentlichkeit und Erwerbsleben weder akzeptiert noch institutionalisiert. Trotz der bemerkenswerten Veränderung der Einstellungen von Männern insgesamt und Vätern im Besonderen, wird die Versorgung und Erziehung von Kindern sowie die Alltagsarbeit immer noch überwiegend von Frauen geleistet. Denn obwohl Frauen und Männer im jungen Erwachsenenalter heute im Hinblick auf ihre Ausbildung und ihre Lebenskonzepte gleiche Voraussetzungen mitbringen, wie niemals vorher, übernehmen Frauen, sobald Kinder geboren werden, den Hauptteil der Familien- und Hausarbeit und stellen ihre beruflichen Ambitionen zumindest zeitweise zurück. Auch Paare mit anfangs partnerschaftlicher Rollenteilung geben diese im Zeitverlauf mit der Geburt von Kindern zugunsten traditioneller Formen auf. Während Frauen ihre Erwerbstätigkeit in der Regel in den ersten zwei Lebensjahren des Kindes vollständig unterbrechen und danach ihre Erwerbstätigkeit meist in Teilzeit wieder aufnehmen, dehnen Väter mit zunehmender Kinderzahl ihre Erwerbstätigkeit aus. Ausschlaggebend für die Rückkehr zur traditionellen Arbeitsteilung sind neben den fehlenden Betreuungseinrichtungen nicht zuletzt die nach wie vor unterschiedlichen Einkommen von Männern und Frauen. Zeitbudget-Studien belegen zudem, dass Frauen, selbst wenn sie ebenfalls erwerbstätig sind, sich intensiver um den Haushalt und die Betreuung der Kinder kümmern als Männer (Statistisches Bundesamt 2003). Ursache ist dabei auch die wachsende Differenz im Einkommen. Vor allem werktags sind viele der überwiegend voll erwerbstätigen Väter für ihre Kinder kaum präsent. Ein erster Schritt, die Arbeitsteilung zwischen den Partnern neu zu organisieren, ist das vom Einkommen abhängige Elterngeld, das auch Vätern die Möglichkeit eröffnet, sich in den ersten Monaten in die Kindererziehung einzubringen, und berufstätige Frauen ermutigt, Kinder mit ihrer Erwerbstätigkeit zu verbinden. Bezieherinnen und Beziehern von Arbeitslosengeld II kommt das Elterngeld allerdings - anders als das vorherige Erziehungsgeld - nicht zugute. Im letzten Quartal 2012 betrug der Anteil Elterngeld beziehender Väter bereits 27%, Tendenz steigend (Statistisches Bundesamt 2012). Doch ganz überwiegend beschränken sich Väter bislang auf die zwei zusätzlich gewährten Partnermonate. Mit der Debatte um Elterngeld und Partnermonate sowie durch allmähliche Veränderungen im Rollenverständnis von Männern entwickelt sich zumindest eine gesellschaftliche Verständigung darüber, dass Familie nicht mehr nur Frauensache ist, sondern beide Geschlechter gleichermaßen angeht.

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Seit den 1990er Jahren hat sich vor allem in einkommensstarken Haushalten ein neuer Markt für Haushaltsdienstleistungen etabliert, der jedoch vorwiegend als prekäre bzw. nicht versicherungsrechtlich geschützte Arbeit organisiert ist. Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass in über vier Millionen Haushalten Beschäftigungsverhältnisse mit Reinigungskräften, Pflegehilfen, Au-Pairs und Kindermädchen bestehen (vgl. Thiessen 2004, 129). Diese Tätigkeiten werden vor allem an andere Frauen, oftmals Migrantinnen, delegiert, die in diesem Schattenarbeitsmarkt einerseits Geld verdienen können, andererseits aber keine Chance auf gesellschaftliche Integration haben. In Haushalten, die sich keine zusätzliche Hilfe leisten können, besteht hingegen die Gefahr einer chronischen Überlastung der Mütter, insbesondere der Alleinerziehenden.

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Familien- und Hausarbeit umfasst einen ganzen Komplex von Tätigkeiten, in dem routinemäßige instrumentell-technische Tätigkeiten und Beziehungsarbeit - Erziehungs- und Pflegeleistungen sowie emotionale Zuwendung - miteinander verknüpft werden. Dies macht sie gleichermaßen anspruchsvoll wie häufig unterbewertet. Dabei übersteigt das Stundenvolumen der in den privaten Haushalten der Bundesrepublik Deutschland erbrachten unbezahlten Hausarbeit das der bezahlten Erwerbsarbeit bei Weitem (vgl. Schäfer 2004, 258). Familienarbeit ist somit ein wichtiger Bestandteil gesellschaftlich notwendiger Arbeit und zugleich die meistens unsichtbare, aber unverzichtbare Grundlage unseres gesellschaftlichen Reichtums und des allgemeinen Wohls. Zudem ist die verlässliche Übernahme der täglich anfallenden Hausarbeit in Verbindung mit der Erziehung von Kindern oder der Pflege und Sorge für andere eine fürsorgliche Praxis,sie ist jedoch nicht nur Last oder Pflicht, sondern eine sinnerfüllte Tätigkeit. Sie ist „Sorge für die Welt“. Welt meint hier - im Sinne Hannah Arendts - „den unersetzlichen Zwischenraum, der zwischen dem Menschen und seinem Mitmenschen“ zu gestalten ist (Arendt 1960, 7). Warum aber sollten diese Aufgaben und Erfahrungen nur einem Geschlecht vorbehalten sein?

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Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeiten lassen sich nicht verrechnen, kaum bezahlen und nur partiell auslagern, da ihr Gelingen persönliche Beziehungen und Anteilnahme voraussetzt. Als Sorge für andere setzen diese Tätigkeiten eine wechselseitige persönliche Beziehung zwischen dem/derjenigen voraus, die/der Fürsorge zukommen lässt, und dem/derjenigen, der/die sie empfängt. Sorgende und fürsorgliche Tätigkeiten sind Arbeit, jedoch unterscheiden sie sich in den Anforderungen und ihrer Qualität grundlegend von industrieller Lohnarbeit. Das Ziel dieser fürsorglichen Tätigkeiten von Erziehung wie Pflege ist nicht die Herstellung eines Produkts, sondern das für andere Da-Sein und Zeit-Haben, ein Sich-Kümmern um das emotionale, mentale und physische Wohlergehen eines/r anderen, um die Reproduktion des Lebens. Es ist eine persönliche Dienstleistung, die sich an den Bedürfnissen des anderen ausrichtet, und zugleich eine soziale Praxis der Anteilnahme in den unterschiedlichsten Lebenslagen. Im Unterschied zu Erwerbsarbeit kann es dabei nicht um messbare Leistungen, die Einsparung von Zeit und Effizienzsteigerung gehen, vielmehr um die Grundbedingungen „guten Lebens“, die unentbehrlich sind für die Solidarität innerhalb der Familien, für das gedeihliche Aufwachsen von Kindern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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An der vorrangigen Zuständigkeit der Frauen für diese sorgenden und fürsorglichen Tätigkeiten in Familie und Partnerschaften hat sich trotz der beschriebenen Veränderungsprozesse bisher wenig geändert. Doch diese Alleinzuständigkeit der Frauen verstärkt nicht nur das Problem der Geschlechterungleichheit. Angesichts der neuen Anforderungen und Zumutungen in der Arbeitswelt, vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und des sozialen und kulturellen Wandels in den privaten Lebensformen können die bisher in der Familie von Frauen erbrachten Tätigkeiten nicht mehr als selbstverständliche oder „natürliche“ Ressource betrachtet und vorausgesetzt werden. Die „Versorgungslücke“, das Care-Defizit, das damit entsteht, stellt für Staat und Gesellschaft eine erhebliche Gestaltungsaufgabe dar, um die Organisation alltäglicher Erwerbsarbeit und die Fürsorge für andere im Erwerbsverlauf und im Familienzyklus gerecht zu verteilen und zugleich Gesellschaft und Staat für die Schaffung der Rahmenbedingungen in die Verantwortung zu nehmen. Daran wird sich entscheiden, ob es gelingt, Frauen und Männern Mut zu Kindern zu machen.

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Sorge für andere, Caring, ist somit als eine menschliche Aktivität zu betrachten, „die alles einschließt, was wir tun, um unsere >Welt< zu erhalten, fortzusetzen und zu reparieren, sodass wir in ihr so gut wie möglich leben können“ (Tronto 2000). Diese Charakterisierung zeigt, dass sich Fürsorglichkeit nicht notwendig auf familiäre Zusammenhänge beschränken sollte, fürsorgliche Verantwortungszusammenhänge bestehen auch in Freundschaft, Nachbarschaft und Vereinen; Fürsorglichkeit kann Maßstab für eine demokratische und soziale Praxis sein. Dennoch wird sie vorwiegend im Privatraum der Familie geübt und erfahren und kann von denen, die sorgen, sowie von denen, die Fürsorge empfangen, als Bereicherung empfunden werden. Mit symbolischer oder rhetorischer Anerkennung dieser Tätigkeiten, aber auch mit Bezahlung oder sozialpolitischer Kompensation allein ist es nicht getan, vielmehr wird es notwendig sein, fürsorgliche Praxis in Familie und Beruf zu ermöglichen und unter den Beteiligten, Männern und Frauen, gerechter zu teilen. Hierzu genügt es nicht, nur zu einer neuen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern zu kommen, wesentlich ist auch, dass der Begriff von „Arbeit“, der unsere Gesellschaft prägt, in Zukunft nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Sorgearbeit und bürgerschaftliches Engagement einschließt. Dabei kann sich die evangelische Kirche am reformatorischen Verständnis von Beruflichkeit orientieren, das Handwerk und Landwirtschaft, Handel wie Hausarbeit und damit bezahlte und unbezahlte Arbeit umfasst.

6.3 Erziehung und Bildung

Die gesellschaftlichen Debatten über Bildung und Erziehung haben sich in den letzten Jahren stark verändert: Galt bis vor Kurzem in Westdeutschland noch die Devise, dass Erziehung in der Familie stattfinde, der Kindergarten für ergänzende Betreuung zuständig sei und mit dem Schuleintritt der Bildungsweg beginne, so werden diese Zuordnungen heute grundlegend in Frage gestellt. Familien begegnen mehr denn je dem Anspruch, die Bildungsfähigkeit der Kinder zu verbessern, den Grundstein für qualifizierte Ausbildungen und höhere Studierquoten zu legen sowie für eine bessere Verwendbarkeit auf dem Arbeitsmarkt („employability“) zu sorgen. Dabei ist Bildung, wie Studienabschlüsse belegen, gerade in Deutschland nach wie vor von der sozialen Herkunft abhängig. Als einer der großen Bildungsträger kann die evangelische Kirche Familien bei der Erziehung im Hinblick auf Wertorientierungen und Identitätsbildung entscheidend unterstützen und Orientierungen bieten.

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„Familie ist der erste und wichtigste Bildungsort“, heißt es in der Kundgebung zur 3. Tagung der 11. EKD-Synode (2010). Daher muss es eine zentrale Aufgabe der Gesellschaft sein, Eltern zu unterstützen und ggf. zu befähigen, diese Aufgabe kompetent wahrzunehmen. Auch die evangelische Kirche und ihre Diakonie als Trägerin zahlreicher Bildungseinrichtungen, die diese Aufgabe z. B. über die evangelische Familienbildung wahrnehmen, tragen eine Mitverantwortung für das Bildungswesen. Zu berücksichtigen ist, dass es vielen Eltern schwerfällt, dem durchaus sich selbst gestellten Auftrag verantwortlich nachzukommen. Dies gilt in besonderer Weise für Eltern, die sich ausgeschlossen fühlen und für sich selbst keine Zukunft sehen, etwa aufgrund der eigenen schwierigen wirtschaftlichen oder auch persönlichen Situation. Daher brauchen Familien in ökonomisch prekären Lebenslagen, bei Arbeitslosigkeit sowie in Krankheitsfällen eine besondere Unterstützung. Alle Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Dieser Wunsch und Vorsatz kann jedoch schnell in den Widrigkeiten der Realität verloren gehen. Es kommt also darauf an, die Verantwortung für den Anfang eines neuen Lebens zuversichtlich zu übernehmen und im Blick auf die eigenen Rechte des Kindes kontinuierlich zu stärken.

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Kinder wachsen idealerweise auf in der Erfahrung von liebevoller Begleitung und Fürsorge durch Eltern und ErzieherInnen und gleichzeitig in eigenständiger Auseinandersetzung mit der Umwelt. Aus beidem bildet das Kind seine Identität. Wesentlichste - und anspruchsvolle - Aufgabe der erziehenden Personen ist es, diese Selbstbildungsprozesse zu ermöglichen und zu unterstützen. Je nach Alter und Bedürfnissen des Kindes muss dabei die Balance von Bindung und Schutz einerseits sowie von Eigenständigkeit und Entdeckung von Welt andererseits gefunden werden - mithin im Ausgleich von Bindung und Selbstentwicklung, von Angewiesenheit und Autonomie. Hier spielen Traditionen, kulturelle Muster, aber auch strukturelle Bedingungen und Ressourcen von Familien eine wesentliche Rolle. Erziehung ist daher immer Werte-orientiert und -orientierend. In jeder Interaktion und elterlichen Intervention erfahren Kinder Werte und setzen sich damit auseinander. Um eine eigenständige, gefestigte Wertekompetenz entwickeln zu können, brauchen Kinder positive emotionale Erfahrungen, Grundvertrauen und Selbstwertempfinden. Wo Eltern im Gottvertrauen leben und mit ihren Kindern beten, können sie zugleich lernen, dass Menschen Alltag und Zukunft trotz offener Fragen, Unsicherheiten und Konflikte gestalten können. Das schließt die Anwendung von physischer und psychischer Gewalt als Erziehungsmittel aus sowohl in der Familie als auch in Einrichtungen, denen Kinder anvertraut sind. Je nach Alter beteiligen sich Kinder an der Aushandlung von Regeln und Ordnungen. Schließlich brauchen Kinder offene Erfahrungsräume, Spielmöglichkeiten und sozial und kulturell vielfältige Begegnungen, um unterschiedliche Wertorientierungen kennen zu lernen, zu erproben und eigene Werthaltungen einüben zu können. Daher ist die Beziehung zu Gleichaltrigen schon in frühem Alter wichtig. Dazu gehört das Lernen von und an jüngeren und älteren Kindern sowie die Ermöglichung von sozialem und religiösem Lernen, in dem die Unterschiede von Alter, Geschlecht, Sprache und Kultur sowie unterschiedliche Familienkonstellationen wahrgenommen werden und der Respekt voreinander eingeübt werden. Der Ansatz der Inklusion, der das gemeinsame Aufwachsen von Kindern mit und ohne Behinderungen vorsieht, muss dabei selbstverständlich werden.

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Eine wichtige Rolle bei der Orientierung an Werten kann die religiöse Erziehung übernehmen, die sowohl in der Familie - insbesondere im Generationenverhältnis in der erzählenden und erklärenden Weitergabe der biblischen Überlieferung - als auch in den kirchlichen Bildungseinrichtungen und Gemeinden übermittelt und eingeübt wird. Nach evangelischem, reformatorischem Verständnis gehören Bildung und Glauben auf das Engste zusammen, ist Bildung die Voraussetzung für religiöse Mündigkeit. Zum christlichen Glauben gehört die Fähigkeit, sich selbst und anderen Rechenschaft über diesen Glauben geben zu können; das setzt heute insbesondere Dialogfähigkeit und die Offenheit gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen voraus - mithin die Bereitschaft, sich angesichts bleibender Differenzen der wechselseitig kritischen Auseinandersetzung zu stellen (EKD, Kirche und Bildung, 2009, 59). Auf dem Bildungsweg und im Entwicklungsprozess von Kindern wird es in christlicher Sicht insbesondere darauf ankommen, nicht nur funktionale und ökonomisch verwertbare Kenntnisse zu vermitteln, sondern Fähigkeiten zu wecken und zu stärken, die fürsorglichen Lebensverhältnissen dienen: einer Kultur des Mitgefühls, der Barmherzigkeit und der Hilfsbereitschaft (vgl. EKD, Maße des Menschlichen, 2003, 63).

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Kinder wollen lernen. Sie lernen von Erwachsenen, aber mindestens ebenso viel von anderen Kindern. Noch bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts geschah dies im und um das Haus, auf der Dorfstraße oder im Stadtquartier. Heute leben Familien jedoch in der Regel mit weniger Kindern und oft in einer Umgebung, die die Bedürfnisse von Kindern nicht berücksichtigt (mit gefährlichen Straßen, wenigen Überwegen und ohne Spielplätze und Raum für Fußgänger und Radfahrer). Der Ort für eigenständige Gruppenerfahrungen ist heute die Kinderkrippe und die Kindertagesstätte. Bei den über Dreijährigen besuchen 95% aller Kinder eine Betreuungseinrichtung, bei den Zweijährigen ist es mehr als ein Drittel mit steigender Tendenz. Auffällig sind hier große Unterschiede je nach Region (Ost - West, Stadt - Land, vgl. Bildungsbericht 2012). Inzwischen ist unstrittig, dass der Besuch einer Kindertagesstätte und das Zusammensein mit Gleichaltrigen bzw. in jahrgangsgemischten Gruppen der Entwicklung förderlich sind. Dass dies auch für Jüngere, unter Dreijährige gilt, ist - vor allem in den alten Bundesländern - noch nicht in gleicher Weise akzeptiert. Studien belegen jedoch, dass auch unter dreijährige Kinder - unter der Voraussetzung qualitätsvoller Einrichtungen - von außerhäuslichen Bildungs- und Erziehungsangeboten profitieren, umso mehr, wenn sie aus bildungsbenachteiligten Familien kommen (vgl. NUBBEK 2012). Bis 2013 sollen für ein Drittel der unter Dreijährigen genügend Plätze geschaffen worden sein. Schon dieses Ziel wird angesichts des bisherigen Ausbautempos nur mit Mühe erreicht werden; allerdings hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Nachfrage die ursprüngliche Planung bei Weitem übersteigt, und es ist damit zu rechnen, dass dieser Prozess weitergeht.

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Angesichts der Schwierigkeiten der in vielen Fällen finanzschwachen Kommunen, allein das quantitative Ausbauziel zu erreichen, droht die Verbesserung der Qualität der angebotenen Bildungs- und Betreuungsplätze zu kurz zu kommen. Die Finanzierung von Bildungsangeboten fällt bei defizitären Haushalten unter die „Schuldengrenze“, weil Investitionen in Bildung bislang viel zu wenig als Zukunftssicherung begriffen werden. Im Wissen um die vertieften Erkenntnisse über die frühkindliche Entwicklung wird deutlich, dass die Qualifikation der Fachkräfteeine wissenschaftlich fundierte Ausbildung und hohe Beziehungskompetenzen voraussetzt. Damit hat sich das berufliche Anforderungsprofil von Erzieherinnen und Erziehern grundlegend gewandelt. Es wird deshalb unumgänglich sein, neue Ausbildungs-, Fort- und Weiterbildungsangebote zu entwickeln, zumal in anderen europäischen Ländern ein Abschluss auf Fachhochschulniveau als Eingangsvoraussetzung erforderlich ist. Der gegenwärtige Trend, die gestiegene - mitunter auch universitäre - Ausbildungsqualität auf demselben niedrigen Entlohnungsniveau zu belassen, ist beispiellos und wäre in einem von Männern dominierten Berufsfeld undenkbar. Auf neue Herausforderungen und Mehrkosten in diesem Bereich müssen sich nicht nur kommunale, sondern auch kirchliche Träger einstellen. Das ist insbesondere dann nötig, wenn Tageseinrichtungen für Kinder zu Familienzentren weiterentwickelt werden.

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Die Voraussetzungen für Bildungs- und Zukunftschancen von Kindern werden ganz überwiegend im Elternhaus gelegt, sie sind abhängig von Ressourcen, kulturellen Überzeugungen und den Erziehungsstilen der Eltern. Dass Erziehung immer auch soziale Platzierung des Nachwuchses ist, wurde in den international vergleichenden Schulleistungstests (PISA) offenbar, wonach es dem deutschen Schulsystem nicht gelingt, die Benachteiligungen sozialer Herkunft auszugleichen. Die Problematik zeigt sich nicht zuletzt an schichtspezifischen Erziehungsstilen: Bildungsnahe Familien der Mittel- und Oberschichten tendieren zu einem Erziehungsstil, bei dem mit einem großen (manchmal auch zu großen) Engagement Kindern vielfältige Bildungsgelegenheiten ermöglicht werden. Demgegenüber zeigt der Erziehungsstil bildungsungewohnter Eltern eher ein freundliches „Mitlaufen“ der Kinder im Alltag, das auf besondere erziehende oder fördernde Maßnahmen verzichtet. Eine Schlüsselrolle fällt damit der frühen Förderung zu. Gleichwohl ist festzustellen, dass in Kindertagesstätten, Schulen, aber auch im Konfirmandenunterricht, eher an den in bildungsorientierten Mittelschichten üblichen Erziehungsstil und Sprachcodes angeknüpft wird. Damit haben bildungsungewohnte Kinder bereits mit Schuleintritt schlechtere Chancen.

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Umso wichtiger ist es, die Bildungswege der Kinder mit den Eltern und nicht gegen sie zu gestalten. Das Instrument der Erziehungspartnerschaft kann ein vertrauensvolles Zusammenwirken von Elternhaus und den Institutionen der Erziehung und Bildung fördern, wenn beide Seiten auf gleicher Augenhöhe Mitgestaltungsmöglichkeiten haben. Praxiserfahrungen zeigen, dass das Miteinander immer dann gelingt, wenn Eltern regelmäßig und selbstverständlich in die institutionellen Abläufe einbezogen werden. Auf der Basis von Vertrauensbeziehungen gelingt es auch, verunsicherte oder vernachlässigende Eltern auf Beratungs- und Unterstützungsangebote aufmerksam zu machen und sie bei der Inanspruchnahme zu unterstützen. Die gemeinsame, öffentliche und private, Verantwortung für die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern ist ein wichtiger Bestandteil einer zukunftsorientierten Familienpolitik (11. Kinder- und Jugendbericht, vgl. BMFSFJ 2002).

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Neben dem Bildungsauftrag ist auch im Schulalltag der Aspekt der Erziehung und fürsorglichen Betreuung konzeptionell zu verankern. So haben Schulen auch den Auftrag, sich in Absprache mit den Eltern als Erziehungseinrichtungen und nicht nur als Unterrichtsschule zu verstehen. Diesgeschieht im Blick auf die notwendige Einrichtung von Ganztagsschulen etwa durch das Angebot von Mittagstischen und verlässlichen Programmen über die Mittagszeit hinaus, durch Hausaufgabenhilfen und die Zusammenarbeit mit Vereinen und Elterninitiativen. Ein an der Herausbildung von Stärken und Fähigkeiten orientierter pädagogischer Ansatz, der sich durch eine enge und wertschätzende Kooperation mit Eltern auszeichnet und bereits in vielen evangelischen Kindertageseinrichtungen erfolgreiche Umsetzung findet, muss auch im Bereich der Schule Anwendung finden. Kirchliche Kindertagesstätten und Schulen, gemeindliche Angebote wie Kindertreffs und Konfirmandenarbeit, die kirchliche Jugend- und Freizeitarbeit stehen nicht in Konkurrenz zu Familie und Schule. Vielmehr sollten sich Kirche und Gemeinden als Partnerinnen der Familien verstehen und die Schulen in ihre Angebote einbeziehen. Denn die Erziehungs- und Bildungsaufgaben der Gegenwart beziehen sich auf schulische wie außerschulische Bereiche. Hierbei bilden die Familie, das Zusammenleben der Generationen und das Zusammenleben mit Menschen anderer Herkunftskulturen besondere Prüfsteine zivilgesellschaftlicher Lernkultur (vgl. EKD 2003, 89).

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Der Konfirmandenunterricht ist nach wie vor ein wichtiges Handlungsfeld der Kirche, in dem in jüngerer Zeit vielfältige innovative Formen der Kooperation und der Vernetzung mit evangelischer Jugendarbeit entwickelt wurden. Konfirmandenarbeit ist ein Angebot für junge Menschen, um ihre religiöse Orientierung und „Selbstbildung“ zu fördern und zur Selbstreflexion und Auseinandersetzung mit religiösen Fragen vor dem Hintergrund der eigenen Lebensgeschichte und Sinnfragen anzuregen. Sie erreicht fast alle evangelischen Jugendlichen. Gerade weil es für viele eine erste intensive Begegnung mit dem kirchlichen Christentum ist (vgl. EKD-Handreichung „Kirche und Jugend“ 2010, 52), könnte dieses „Gelegenheitsfenster“ aufmerksamer im Hinblick auf die Möglichkeit von intensivem Kontakt zu jugendlichen Lebenswelten wahrgenommen werden. Darüber hinaus tragen Jugendliche im Konfirmandenunterricht christliche Themen in die Familien hinein und schaffen auch hier neue Möglichkeiten der Erreichbarkeit, die gezielter als Familienthema von Kirchengemeinden genutzt werden könnten. Ebenso wichtig für die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit sind gemeindliche Kindergruppen, Schul- und Kindergottesdienste, die heute in vielfältigen Formen von Projekttagen, Kinderbibelwochen bis zu Wochenendfreizeiten angeboten werden. Für viele Kinder bietet sich hier die erste Möglichkeit, biblische Geschichten und Gottesdienste kennen zu lernen und erwachsenen Christen zu begegnen, die sie nach ihrem Glauben fragen können. Immer häufiger sind es auf diesem Hintergrund die Kinder selbst, die sich eine Taufe und die Aufnahme in die Gemeinde wünschen.

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Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sollen gemäß der 2006 verabschiedeten UN-Behindertenrechtskonvention gemeinsam mit Kindern ohne Einschränkungen Regeleinrichtungen besuchen. Bildungseinrichtungen sollten gewährleisten, dass alle Kinder am Bildungsangebot teilnehmen können. Dazu müssen nötigenfalls Umbaumaßnahmen stattfinden, technische Hilfsmittel oder spezielles Personal eingesetzt werden. Alle Kinder und Jugendlichen sollen gleichermaßen von Bildungsangeboten profitieren. Das gemeinsame Lernen fördert das Lernen voneinander und unterstützt die Entwicklung sozialer Kompetenzen.

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Die Bildungsprozesse von Kindern verlangen Zeit, die sich auch unter beruflichen Anforderungen und Effizienzdruck nicht verkürzen lässt. Zugleich ist die Entwicklung von Identität und Wertkompetenzen, von Eigenständigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit prinzipiell unabgeschlossen. Deshalb bleibt Bildung in einer Gesellschaft des langen Lebens eine lebenslange Aufgabe - für Eltern, Paare, Großeltern oder Paten. Evangelische Familien- und Erwachsenenbildung macht hier Angebote, aber auch die Gemeinde mit ihren verschiedenen Gruppen und Gesprächsangeboten kann ein Ort sein, wo Menschen andere Lebenswirklichkeiten und Perspektiven kennenlernen, gesellschaftliche Veränderungsprozesse diskutieren und gemeinsam Orientierung suchen. Dabei stellen sich für jede Gemeinde und Bildungsinstitution je nach regionaler Anbindung und Situation andere Herausforderungen und Aufgabenschwerpunkte. Dazu wäre es hilfreich, wenn Gemeinden die neuen Anforderungen im Familienleben, die durch Veränderungen wie Wohnortwechsel, lebensphasentypische Krisen, aber auch durch Erfahrungen von Trennung, Scheidung oder Tod zu verkraften sind, begleiten und stützen könnten.

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„Durch Bildung gewinnen Menschen Lebensorientierung, klären sie ihr Selbstverständnis und werden im Glauben sprachfähig. Deshalb steht außer Frage, dass dasjenige Leben, das sich in Lehren und Lernen entfaltet, das überhaupt Gott wohlgefälligste ist (Philipp Melanchthon). Leitbild der Reformatoren ist die Gemeinde von Christinnen und Christen, die die Bibel selber lesen können und von daher ihren Glauben verstehen, in ihm urteilsfähig sind und wissen, auf welchem ?Glaubenswissen? im Sinne grundlegender Erzählungen, Erfahrungen, Traditionen und Bekenntnisse christlicher Glaube und christliche Geschichte beruhen. Aus der so verstandenen Freiheit traten die Reformatoren für ein öffentliches Schul- und Universitätswesen ein“ (Kundgebung 11. Synode der EKD, 3. Tagung Nov. 2010). Bildung für alle und Bildungsgerechtigkeit, ein zur Zeit der Reformatoren revolutionärer Gedanke, sind heute demokratisch geboten. Als Grundsatz evangelischen Bildungsverständnisses bedeutet dies heute umso mehr, für die gleichen Zugangschancen zu jeglicher Bildung einzutreten und besonders diejenigen zu fördern, die schlechtere Startchancen haben.

6.4 Generationenbeziehungen und Fürsorglichkeit

Familien sind Übungsstätten für soziales Lernen und bilden ein Netzwerk der Unterstützung zwischen den Generationen. Sie fördern die Weitergabe von Erfahrungen und begleiten die kommenden Generationen auf ihrem Weg ins Leben. In vielen Fällen bieten sie bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit nach wie vor Fürsorglichkeit und paktische Hilfe an. Trotz zunehmender Mobilität ist die wechselseitige familiäre Generationensolidarität, die sich auch in finanziellen Transfers von den Älteren an die Jüngeren ausdrückt, ungebrochen. Kinder schätzen ihre Eltern und Großeltern und erfahren von ihnen vielfältige Unterstützung und umgekehrt.

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Der demographische Wandel äußert sich nicht nur in der sinkenden Geburtenrate und einer geringeren Zahl von Kindern je Familie, auch die höhere Lebenserwartung von Männern und Frauen spielt eine Rolle. Die nachberufliche Phase dauert nicht selten 20 bis 30 Jahre, in der im Durchschnitt längere Zeit bei guter Gesundheit gelebt werden kann. Die beiden Dimensionen des demographischen Wandels - weniger Geburten und längeres Leben - verändern die Gestaltung und die Struktur der Familien. Heute ist es keine Seltenheit, dass vier oder gar fünf Generationen gleichzeitig leben, wenn auch nicht unter einem Dach. Andererseits wird der zeitliche Abstand zwischen den Generationen, bedingt durch das ansteigende Erstgeburtsalter der Frauen, in Zukunft größer werden. Zu bedenken ist, dass Generativität nicht nur eine Frage der Biologie und Abstammung, Kinder zu haben vielmehr ein Segen ist. Denn nicht alle, die sich Kinder wünschen, können auch eigene Kinder bekommen - trotz aller Angebote der Reproduktionsmedizin. Andererseits kann die ausschließliche Ausrichtung des Lebens auf ein eigenes Kind für das Kind selbst zum Problem werden. Deshalb kann die Bereitschaft, für andere Kinder da zu sein, soziale Patenschaften zu übernehmen oder Mentor/Mentorin für junge Schülerinnen und Schüler zu werden, für beide Seiten eine bereichernde Erfahrung sein.

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Generationenbeziehungen, insbesondere zu den eigenen Kindern und Enkeln, stellen eine wichtige Ressource für Autonomie und Lebensqualität im Alter dar und sind eine bedeutsame Stütze zur Überwindung von Lebensrisiken. Sie sind heute in der Regel durch ein hohes Maß an Solidarität geprägt. Obwohl sich das Familienleben in der Regel nicht mehr im gemeinsamen Wohnen abspielt, sondern wegen der räumlichen Trennung in der sog. „multilokalen Mehrgenerationenfamilie“, fühlen sich auch erwachsene Kinder und Eltern emotional eng verbunden; sie stehen häufig miteinander in Kontakt und unterstützen sich gegenseitig. Ältere Familienmitglieder unterstützen die Jüngeren sowohl durch Geld- und Sachleistungen als auch durch tätige Hilfe. Ohne die Solidarität zwischen den Generationen käme manche junge Familie in finanziellen Notsituationen, aber auch bei plötzlichen Kinderbetreuungs-Engpässen in große Schwierigkeiten.

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Aus dem Deutschen Alterssurveys (BMFSFJ 2010b) geht hervor, dass private innerfamiliäre Geld- und Sachleistungen ganz überwiegend von alt nach jung, d. h. in entgegengesetzter Richtung zu den öffentlichen Transferströmen fließen: Während rund 36% der 70- bis 85-Jährigen ihre Kinder und Enkel mit Geld- und Sachleistungen bedenken, erhalten nur knapp über 2% dieser älteren Generation eine finanzielle Unterstützung von ihren Familienangehörigen. Wird diesem „privaten Generationenvertrag“ allerdings künftig durch Rentenkürzungen die Basis entzogen, besteht die Gefahr, dass die Generationensolidarität zumindest in den unteren Einkommensschichten geschwächt wird. Umgekehrt erhalten Ältere, vor allem wenn sie hilfsbedürftig werden, vielfältige praktische Hilfen zur Bewältigung des Alltags - von Einkauf, Behördengängen, Arztbesuchen und Instandhaltung der Wohnung bis hin zur Pflege. Die Unterstützung beruht in sehr hohem Maße auf Gegenseitigkeit, und zwar bis ins hohe Alter (Im Alter neu werden können, Orientierungshilfe EKD 2009).

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Für die Mehrheit der Älteren ist die Großelternschaft eine Sinn gebende Altersrolle, sie verbinden damit ein hohes Maß an Wohlbefinden, Erfüllung und Zufriedenheit. Zugleich sind sie in diesen Bezügen selbst auch Lernende. Drei Viertel aller Großeltern geben an, dass ihnen diese Aufgabe persönlich sehr wichtig sei, und nahezu 80% beschreiben ihre Beziehung zu den Enkelkindern als eng (BMFSFJ 2010b). Auch wenn Großeltern nicht die Hauptverantwortung für die Sozialisation der Enkelkinder tragen, leisten sie häufig Erhebliches für die kognitive und soziale Entwicklung der Kinder. Als zusätzliche Bezugspersonen kommt ihnen auch im Hinblick auf die Weitergabe des Glaubens große Bedeutung zu.

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Insgesamt haben Generationenkonflikte in der Familie in den letzten Jahrzehnten eher ab- als zugenommen. So zeigt die Shell-Jugendstudie 2010, dass sich die heutige Generation junger Menschen in ihrer Mehrzahl gut mit ihren Eltern versteht. Nur 7% berichten von „häufigen Meinungsverschiedenheiten“, und nur eine Minderheit von 1% hat den Kontakt völlig abgebrochen. Heute erleben Jugendliche ihre Eltern immer häufiger als Partner, nehmen deren Hilfe in Problemsituationen gern in Anspruch und ziehen deutlich später von zu Hause aus als noch vor einigen Jahrzehnten. Eine große Mehrheit der Eltern gibt an, enge oder sehr enge Beziehungen zu ihren Kindern zu unterhalten. Nach den Befunden des Deutschen Alterssurveys (BMFSFJ 2010b) hat die Mehrzahl der Befragten mindestens wöchentlich einmal Kontakt zu ihren erwachsenen Kindern - Mütter regelmäßiger als Väter. Die Intensität der Generationenbeziehungen ist allerdings stark von den Familienkonstellationen bestimmt. Kinder, die bei einer allein erziehenden Mutter aufwachsen, haben häufig nur flüchtige Beziehungen zum Vater und eine engere Beziehung zur Mutter als in Zwei-Eltern-Konstellationen aufwachsende Kinder.

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Somit eröffnen insbesondere erweiterte Familien Erfahrungsräume, in denen soziales Verhalten gelernt und geübt wird. Junge wie Alte haben auf diese Weise teil an Erfahrungen, die weit über den eigenen Erlebnisraum hinausreichen. Nicht zuletzt im Miteinander der Generationen wächst der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft.Die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander vermitteln ein Gespür für andere Lebenslagen und Bedürfnisse. Wesentlich bleibt aber auch, dass Menschen Freude daran entwickeln, kommende Generationen auf ihrem Weg ins Leben zu begleiten, die Welt mit ihnen neu zu entdecken, ihnen eigene, schöne wie schwere Erfahrungen weiterzugeben. Dass wir eben nicht für uns allein leben, sondern nach vorn und hinten in einer Lebenskette stehen, kann als spannungs- und konfliktreich erfahren werden, es kann aber auch ein tiefes Lebensvertrauen geben, das mit Gottvertrauen verbunden ist.

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Auf diese Hoffnung bezieht sich das Elterngebot: „Du sollst Vater und Mutter ehren, damit du lange lebest in dem Lande, das dir der Herr, dein Gott, geben wird“, heißt es im so genannten Elterngebot der Bibel, das nicht für Kinder, sondern für erwachsene Menschen geschrieben ist. Das Gebot setzt in alttestamentlicher Zeit – in einer Gesellschaft ohne Sozialversicherungssysteme – voraus, dass die Kinder unmittelbar und direkt die Versorgung ihrer Eltern übernehmen. Wer die Elterngeneration, die ihn erzogen und geprägt hat, achten kann, kann auch Vertrauen in die eigene Zukunft haben und mit Hoffnung auf die Zeit blicken, die er selbst nicht mehr prägen und gestalten wird. Das Generationenerbe geht über das materielle Erbe und die finanzielle Sicherung hinaus.

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Wer dem Geist dieses Gebotes folgt, muss in der heutigen Gesellschaft jedoch neu fragen, was es heißt, Generationen übergreifend Verantwortung zu übernehmen. Dies wird Konsequenzen für die Gestaltung der Versorgungssysteme haben müssen. Der für die Sozialversicherungen, insbesondere für die Renten- und Pflegeversicherung grundlegende Gedanke des Generationenvertrages wird durch das immer stärkere Ungleichgewicht zwischen der größeren Zahl der älteren und geringer werdenden Zahl der jüngeren, im Erwerbsleben stehenden Generation in Frage gestellt. Denn dieser fiktive Vertrag sieht vor, dass die nachfolgende Generation mit ihrem Arbeitseinkommen und den daraus abgeleiteten Versicherungsbeiträgen jeweils für die Versorgung der vorigen aufkommt, die wiederum selbst Beiträge in die Versicherung gezahlt bzw. die Erziehungsaufgaben für die vorige Generation übernommen hat. Skeptisch wird die Zukunft des Generationenvertrags vor allem von Jugendlichen eingeschätzt, weil er ihrer Meinung nach angesichts des Strukturwandels der Erwerbsverhältnisse nicht mehr tragfähig ist (vgl. die Shell-Jugendstudie 2010). Notwendig sind darum intensive Diskussionen über neue Wege der Gerechtigkeit und der Solidarität zwischen den Generationen. Denn bezeichnenderweise lässt die lediglich versicherungsmathematische Rechnung das in Zukunft noch viel gravierendere Problem der fehlenden Ressourcen und Zeit der Sorge für andere (einer fürsorglichen Praxis in Erziehung und Pflege) außer Acht.

6.5 Häusliche Pflege

Pflegebedürftige werden immer noch überwiegend in Familien gepflegt. Dabei übernehmen Frauen ganz überwiegend diese Aufgabe. Angesichts des knapper werdenden familiären Pflegepotenzials - nicht zuletzt aufgrund von Veränderungen in der Arbeitswelt und des gesellschaftlichen Wandels - wachsen die Herausforderungen an die Sozialsysteme, wird ein weiterer Ausbau der pflegerischen und hauswirtschaftlichen Dienstleistungen notwendig sein. Gleichzeitig ist die Verbesserung der kommunalen und nachbarschaftlichen Netze und eine Nahversorgung mit Produkten und Dienstleistungen des täglichen Lebens erforderlich, um den Verbleib in der eigenen Wohnung möglichst lange zu erhalten.

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Eine wichtige Ergänzung zur gesetzlichen Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ist die soziale Pflegeversicherung, die seit 1995 als selbstständiger Zweig der Sozialversichung zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit gesetzlich eingeführt wurde. Zwar werden eie meisten pflegebedürftigen Menschen noch immer zu Hause fürsorglich und mit großem Zeitaufwand gepflegt. Über 60% aller Pflegebedürftigen müssen täglich rund um die Uhr, oft über einen Zeitraum von mehreren Jahren, gepflegt werden. Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen brauchen deshalb Unterstützung, insbesondere eine wohnortnahe Pflegeinfrastruktur. Dazu gehören mit mehr Zeitkontingenten ausgestattete mobile Pflegedienste, Kurzzeit- und Tagespflegeangebote, die bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sowie eine gute technische wie psychosoziale Beratung. Pflegende Angehörige brauchen auch Gelegenheiten, sich mit Menschen in ähnlicher Situation (Gesprächsgruppen, Selbsthilfegruppen) auszutauschen. Viele Pflegende sind selbst bereits im Rentenalter und werden durch die Pflege gesundheitlich belastet. Auch ihnen sollten Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen durch die Krankenkassen zustehen. Insbesondere aber benötigen pflegende Angehörige finanzielle Unterstützung: Die Pflegekassen zahlen einerseits je nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit (sog. Pflegestufen) Geldleistungen für die häusliche Pflege durch Familienangehörige bzw. auch selbst organisierte Personen oder ambulante Pflegedienste. Andererseits übernehmen sie Rentenversicherungsbeiträge für häusliche Pflegepersonen jedoch nur dann, wenn diese mindestens 14 Stunden wöchentlich Pflegeleistungen erbringen. Dass die Beitragshöhe von der Pflegestufe des pflegebedürftigen Menschen abhängt, ist jedoch nicht sachgerecht. Darüber hinaus ist die Übernahme von Rentenversicherungsbeiträgen auch auf die Pflege von Angehörigen mit demenzieller Erkrankung auszudehnen. Die Übernahme von Pflegeleistungen darf nicht zur Altersarmut des Pflegenden führen.

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Menschen in hilfsbedürftigen Situationen bedürfen eines garantierten Mindeststandards an Pflege, gesellschaftlicher Teilhabe und persönlicher Zuwendung. Die individuellen Bedarfe von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen müssen künftig in den gesetzlichen Grundlagen, aber auch in der Praxis von Einrichtungsträgern und Pflegekassen besser und verbindlicher berücksichtigt werden, um Pflegebedürftigen so lange wie möglich soziale Teilhabe und Selbstständigkeit zu gewährleisten. Ältere Menschen mit körperlichen Einschränkungen sollten trotzdem am gesellschaftlichen, am kulturellen Leben, z.B. im Rahmen eines Familienbetriebes, oder auch am beruflichen und geschäftlichen Leben sowie an freiwilligem Engagement je nach ihren Fähigkeiten teilhaben können, da dies ihre Lebensfreude stärkt (EKD, Im Alter neu werden können).

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Neben dem Ausbau der professionellen Pflegedienste muss zum Beispiel stärker darüber nachgedacht werden, wie niedrigschwellig Haushaltshilfen und Dienste der sozialen Betreuung organisiert werden können, die - gegebenenfalls mit sozial gestaffelten Zuzahlungen - allen Menschen zur Verfügung stehen. Dies könnte Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen, berufstätige Eltern, aber auch Familien mit behinderten Kindern entlasten und vorzeitige und wesentlich teurere Einweisungen in stationäre Einrichtungen verhindern. Kirche und Diakonie als größte Anbieter von Pflegediensten haben eine besondere Verantwortung für den anstehenden Mentalitätswandel und sollten den Wert dieser sozialen Arbeit thematisieren. Bleibt es bei den bisherigen Arbeitsbedingungen, wird der Fachkräftemangel in der Pflege dramatische Ausmaße annehmen.

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Neben staatlichen Hilfen und verstärktem gesellschaftlichem Engagement werden familiäre Pflegeaufgaben auch weiterhin von großer Bedeutung sein. Denn in der Familie werden Krankheiten auskuriert, Behinderungen mitgetragen, schwer Pflegebedürftige oft über lange Jahre intensiv gepflegt. Auch der selbstverständliche Umgang mit Einschränkungen und Behinderungen, die Anerkennung der Person jenseits ihrer Leistung und Funktion, Toleranz und wechselseitige Verantwortung können in der Familie gelernt werden. Unterschätzt wird auch die Belastung von Kindern durch psychische Krankheiten oder Suchterkrankungen in den Familien, die die Biographie oft bis ins eigene Erwachsenenleben hinein prägen. Familien können Belastungen tragen helfen, sie können aber auch krank machen. Eine falsche Idealisierung ist deshalb fehl am Platze. Wo Familien überlastet werden, brauchen sie gesellschaftliche Hilfen und therapeutische Angebote. Besonders für den Fall, dass pflegende Angehörige fehlen, in großer Entfernung leben oder zur Pflege nicht bereit sind oder wo z.B. nach Verlust des Partners Vereinsamung droht, müssen soziale Netzwerke, freiwilliges Engagement und gemeinschaftliche, betreute und stationäre Wohnformen so aufgewertet werden, dass sie auch für ärmere Bevölkerungsschichten gute Wahlmöglichkeiten bieten.

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Pflege und die Sorge für andere wird bis in die Gegenwart hinein als eine Frauendomäne angesehen - privat wie professionell: Etwa 70% der pflegenden Angehörigen sind weiblich (eaf 2009). So konzentrieren sich nahezu alle Studien zur Pflege auf die Situation der pflegenden Frauen; „Männer in der Pflege“ sind ein nur wenig erforschtes Gebiet. Der Anteil von Männern als Hauptpflegepersonen nimmt jedoch stetig zu und liegt gegenwärtig bei ca. 27% (FES 2008). Allerdings sind ausschließlich die über 65-jährigen pflegenden Ehemänner für diese Steigerung verantwortlich. Angesichts der schon in den nächsten zehn Jahren zu erwartenden Zahl der Pflegebedürftigen - Schätzungen gehen von ca. zwei Millionen häuslich zu Pflegenden aus - werden sich in Zukunft um der Geschlechtergerechtigkeit willen auch die 30- bis 65-jährigen Männer stärker als bisher an der häuslichen Angehörigenpflege wie an beruflichen Sorge- und Erziehungsaufgaben (Care) beteiligen müssen. Dies bedeutet für die Organisation des Arbeitslebens, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zukünftig auch für die männliche Belegschaft möglich sein muss. Die wachsenden Aufgaben, die mit diesen Herausforderungen verbunden sind, können in Zukunft nur in einem guten Zusammenspiel von Familien und Dienstleistern, Arbeitgebern und Nachbarschaft geleistet werden.

6.6 Gewalt in Familien

Gewalt in der Familie war bis in die 1980er Jahre tabuisiert, für sexuelle Gewalt an Kindern galt das bis in die jüngste Gegenwart. Das Ideal der Familie war geprägt vom Bild einer harmonischen, gewaltfreien Beziehung. Gewalt in der Familie ist jedoch die am meisten verbreitete Form von Gewalt und tritt als körperliche, psychische und sexuelle Gewalt oder auch als Vernachlässigung in Erscheinung. Betroffen von allen Formen sind Kinder (Jungen und Mädchen) und Frauen. Aber auch Männer erfahren Gewalt, allerdings ist deren Gefährdung außerhalb der Familie höher als bei Frauen, die Gewalt überwiegend im häuslichen Bereich erleben. Besonders problematisch sind Gewalterfahrungen von Kindern in der Familie, weil sie auf die Familie angewiesen und der Situation besonders hilflos ausgesetzt sind. Die Gefahr, dass noch Erwachsene eine solche Gewalterfahrung, die sie als Kinder nicht verlassen konnten, an die nächste Generation weitergeben, ist deshalb groß. Lange übersehen wurde, dass auch in der Pflege Gewalt erfahren wird - von Pflegebedürftigen wie von Pflegenden.

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Bis in die 1980er Jahre hinein wurden Familienbeziehungen kaum mit Gewalt und Vernachlässigung in Verbindung gebracht. Die Anwendung von Gewalt war tabuisiert und als „seltene“ Ausnahme gesehen, die anscheinend nur in bestimmten Familien am Rand der Gesellschaft vorkommt. Das Idealbild der Familie war verbunden mit dem Anspruch auf Liebe und harmonische innerfamiliäre gewaltfreie Beziehungen. Durch den Anstoß der neuen formierten Frauenbewegung der 1970er Jahre wurde das Tabu der „heilen“ Familie gebrochen. Erste Untersuchungen ließen das Ausmaß alltäglicher Gewalt in Familien sichtbar werden (Hagemann et al. 1981). Durch feministische Initiativen wurden erste Beratungsstellen und Frauenhäuser gegründet. Auch in der DDR war das Thema häusliche Gewalt tabuisiert, es vertrug sich nicht mit der „idealen“ sozialistischen Gesellschaft. Gewalt und Vernachlässigung im sozialen Nahraum, innerhalb der Familie, haben gravierende Folgen. Sie können Gesundheit und Lebensqualität lebenslang beeinflussen. In dem 1990 veröffentlichten Bericht einer Kommission der Bundesregierung zur Untersuchung von Gewalt wurde festgestellt, dass Gewalt in der Familie die „verbreitetste“ Form von Gewalt ist (Schwind et al. 1990, 75). Gewalt kann körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt, sexuelle Belästigung und psychische Gewalt oder auch Vernachlässigung bedeuten. Sie betrifft im engen sozialen Umfeld vor allem Kinder (Mädchen und Jungen) und Frauen.

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Eine repräsentative Studie zur Gewalt gegen Frauen aus dem Jahr 2004 zeigt, dass bisherige Schätzungen zum Ausmaß der Gewalt in Paarbeziehungen nach oben zu korrigieren sind. Mindestens jede vierte Frau im Alter von 16 - 85 Jahren (23%), die in einer Partnerschaft lebt oder gelebt hat, hat ein- oder mehrmals körperliche oder – zum Teil zusätzlich – sexuelle Übergriffe durch einen Beziehungspartner erlitten. Zwei Drittel dieser häuslichen Gewalttaten beziehen sich auf mittlere bis schwere und häufige Übergriffe (BMFSFJ 2004, 2011). Deutlich wurde auch, dass häusliche Gewalt nicht auf bestimmte soziale Schichten oder Gruppen beschränkt ist. Allerdings lassen sich für bestimmte Gruppen oder Situationen erhöhte Risiken identifizieren. Diese sind neben wirtschaftlich nicht abgesicherten Verhältnissen vor allem Trennungs- und Scheidungssituationen sowie eine höhere berufliche Position von Frauen in der Partnerschaft ab dem Alter von 45 Jahren. Darüber hinaus sind Frauen mit Migrationshintergrund stärker von körperlicher Gewalt betroffen. Zur häuslichen Gewalt gegenüber Männern gibt es bislang keine repräsentativen Untersuchungen. Pilotstudien zeigen jedoch, dass auch Männer in der Familie Gewalt erfahren - vor allem psychische und vereinzelte, leichtere physische Gewalt. Männer sind jedoch am Arbeitsplatz sowie in der Freizeit höheren Gewaltrisiken ausgesetzt als in der Familie. Das 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz versucht mit der Regelung eines „Platzverweises“ und interdisziplinärer Hilfen die Gewaltspirale in Partnerschaften zu durchbrechen. Auch wenn festzustellen ist, dass häusliche Gewalt weitgehend aus der Tabuzone herausgekommen ist und sich an vielen Orten „Runde Tische“ gegen häusliche Gewalt gebildet haben, fliehen weiterhin jährlich ca. 45.000 Frauen in ein Frauenhaus. Daher bleiben die Bereitstellung eines differenzierten Hilfs- und Unterstützungsangebotes insbesondere auch für besondere Risikogruppen sowie kontinuierliche Aufklärungs- und Informationsarbeit weiterhin eine dringliche Aufgabe. Auch Beratungs- und Hilfsangebote für Täter und auch Täterinnen müssen ausgebaut werden. Nach wie vor fehlt eine verbindliche rechtliche Regelung der finanziellen Grundlage der Frauenhausarbeit und der Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt.

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Kinder sind in allen Fällen häuslicher Gewalt mit betroffen. Auch Kinder, die Gewalt „nur“ miterleben, zeigen dieselben Belastungen wie am eigenen Leib erlebte Gewalt (Kindler 2002). Dadurch besteht das Risiko der transgenerationellen Weitergabe von „erlernter“ Partnergewalt im Erwachsenenalter. Zwar hat sich mit der Einführung des Rechtes von Kindern auf gewaltfreie Erziehung in Deutschland im Jahre 2000 die Einstellung insgesamt verbessert, 90% der Eltern geben gewaltfreie Erziehung als ihr Ziel an. Gewalt in der Erziehung ist rückläufig, jedoch geht der 11. Kinder- und Jugendbericht (BMFSFJ 2002) davon aus, dass 10-15% der Eltern ihre Kinder häufig und schwerwiegend körperlich bestrafen. Kinder mit Migrationshintergrund haben ein höheres Risiko, Gewalt in der Familie zu erleiden (Uslucan 2000).

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Seit fast zehn Jahren macht das Thema Vernachlässigung von Kindern Schlagzeilen. Gemeint ist körperliche Vernachlässigung durch Mängel in Ernährung, Pflege, Kleidung, Beaufsichtigung und gesundheitliche Fürsorge sowie eine emotional-seelische Vernachlässigung durch mangelnde Zuwendung, Förderung oder instabile Beziehungen. Grundsätzlich gilt: Je jünger die betroffenen Kinder sind und je tiefgreifender sie vernachlässigt werden, umso größer ist das Risiko nachhaltiger Schädigung. Gerade Kinder unter drei Jahren, aber auch Kinder mit Behinderungen sind in besonderem Maße auf Schutz, Fürsorge und Förderung angewiesen; sie waren bislang zu wenig im Blickpunkt von öffentlicher Betreuung, Jugendhilfe und Gesundheitsfürsorge. Dies unterstreicht die Notwendigkeit für den weiteren Ausbau der „Frühen Hilfen“, die eine systematische Vernetzung der Gesundheitsdienste (Hebammen, Kinderärztinnen und Kinderärzte, Kinderkliniken) und Jugendhilfe (Jugendamt und freie Träger) vorsehen. Das Versagen bei der Erziehung und Betreuung von Kindern kann nicht allein den Eltern angelastet werden. Fehlende familienunterstützende sozio-ökonomische Rahmenbedingungen und prekäre Lebenslagen haben negative Auswirkungen auf gelingende Erziehung. Leider sind auch im neuen Bundeskinderschutzgesetz (seit 2012 in Kraft) keine verbindlichen Regelungen für Maßnahmen der Familienbildung - und damit der Prävention und niedrigschwelligen Hilfe - vorgesehen.

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Das bekannt gewordene Ausmaß von sexueller Gewalt in Institutionen, häufig Jahrzehnte zurückliegend, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sexueller Missbrauch überwiegend in der Familie bzw. im familiären Umfeld erfolgt. Die polizeiliche Kriminalstatistik, die nur verfolgte Straftaten im Sinne des Strafgesetzbuches erfasst, nennt für die Straftat des sexuellen Missbrauchs an Kindern unter 14 Jahren 12.444 Fälle für 2011, das ist ein Anstieg von ca. 8% gegenüber 2009. Es wird mit einem Dunkelfeld von 1:20 gerechnet. Drei Viertel der Opfer sind weiblich. Von den Tatverdächtigen waren über 96% Männer, ein Viertel davon unter 18 Jahre alt. Dunkelfeldforschungen gehen davon aus, dass tatsächlich 5-10% der Männer und 10-15% der Frauen im Alter von 14-16 Jahren mindestens einmal sexuelle Übergriffe erlitten haben. Dabei werden Jungen häufiger von Tätern oder Täterinnen aus dem sozialen Nahraum (Nachbarn, Lehrern, Freunden der Familie, Trainern u.a.) und in Institutionen missbraucht, Mädchen dagegen überwiegend im familiären Kontext. Missbrauchte Jungen sehen sich dabei einer doppelten Mauer des Schweigens gegenüber, denn mit dem Offenlegen ihrer Verletzungen widersprechen sie dem Bild des „starken Jungen“. Die Erkenntnisse aus der Arbeit der Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen (2011), die auf den telefonischen und schriftlichen Aussagen von mehr als 20.000 Betroffenen beruhen, bestätigen diese Ergebnisse. Über 60% der berichteten Fälle ereigneten sich in der Familie oder im familiären Umfeld. Unter den institutionellen Fällen sexuellen Missbrauchs waren Kirchen und kirchliche Einrichtungen insgesamt mit ca. 60% vertreten, und davon betrafen ca. 12% die evangelische Kirche. Da sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen lebenslange physische und psychische Folgeschäden haben kann, sind Prävention und frühe Intervention von großer Bedeutung. Zu oft gehen Familienmitglieder, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte oder auch Fachkräfte der Jugendhilfe oder der Gemeindearbeit nicht auf die Signale der Betroffenen ein, zum Teil aus Unkenntnis über den Umgang mit Verdachtsfällen. Erforderlich sind deshalb Hilfekonzepte in allen Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, eine regelmäßige Fortbildung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ein bedarfsgerechtes Beratungsangebot und Hilfen für Betroffene, deren Missbrauch lange zurückliegt.

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Auch im Bereich der häuslichen Pflege ist der Blick stärker auf das noch eher tabuisierte Thema der Gewalt zu richten. Nicht selten führen die extremen Anforderungen der häuslichen Pflege dazu, dass die Belastungsgrenzen der Pflegenden überschritten werden. Situationen der Überforderung, Verzweiflung und Aggressionen führen immer wieder auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bis in die Gegenwart hinein ist die Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen in Deutschland ein wissenschaftlich unzureichend erforschtes Gebiet. Erstmalig wurden Anfang der 1990er Jahre repräsentative Daten zum Dunkelfeld der Gewalt gegen ältere Menschen erhoben. Insgesamt berichteten 7% der über 60-Jährigen von Gewalterfahrungen durch Familien- oder Haushaltsmitglieder (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, 1992). Im Pflegefall erhöht sich das Risiko: Ca. 15% einer bundesweiten Befragung von Pflegebedürftigen über 60 Jahre berichten von Übergriffen durch Pflege- und Betreuungspersonen, vor allem über verschiedene Formen der Missachtung von Autonomie und Würde (13%) und der pflegerischen Vernachlässigung (6%) (Infas 2005, zit. in: Evangelische Frauen-/Männerarbeit EKD 2011).

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Andererseits erleben auch Pflegende, dass sie von Pflegebedürftigen körperlich oder verbal angegriffen werden. In der oben erwähnten Studie gaben zwei Drittel der 503 befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ambulanten Dienste an, innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens einmal körperliche Gewalt, verbale Aggression oder sexuelle Belästigungen seitens Pflegebedürftiger erfahren zu haben. Die Grenzen zwischen Opfer und Täter sind oft fließend. Gewalthandlungen in der Pflege sind dann vermehrt zu beobachten, wenn wechselseitige Abhängigkeiten zwischen Opfer und Täter bestehen, wenn es an Distanzierungsmöglichkeiten mangelt und soziale Isolation vorliegt und Unterstützung fehlt. Ohne eine Entlastung und Honorierung, Beratung und Begleitung der pflegenden Angehörigen wird die Gewalt in der Pflege angesichts des sich heute schon abzeichnenden Pflegebedarfs in den nächsten Jahren eher zu- als abnehmen.

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Durch ihre zerstörerische Kraft widerspricht Gewalt in jeglicher Form aller Lebensdienlichkeit. Gerade dort, wo es die innigsten und liebevollsten Beziehungen geben kann, liegt die Schwelle zur Gewalt besonders niedrig. Hier zeigt sich die zerstörerische Seite einer misslungenen Balance von Angewiesenheit und Autonomie. Zum ehrlichen Umgang mit eigenem Versagen gehört das Eingeständnis, dass auch die evangelische Kirche Gewalt als Erziehungsmittel bis in die jüngste Vergangenheit toleriert hat und in eigenen Einrichtungen Kinder körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt ausgesetzt waren. Kirche und Diakonie haben sich zu dieser Schuld bekannt, Verantwortung übernommen für Hilfemaßnahmen für die Betroffenen und sich zur Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ verpflichtet. Die evangelische Kirche will den Opfern von Gewalt beistehen und sie davor schützen. Wie sinnlos und zerstörerisch Gewalt ist, zeigt sich wie in einem Prisma im Kreuzestod Jesu. Er ist Protest gegen alle Strukturen, in denen Menschen sich als Opfer erleben oder zum Opfer gemacht werden. Zugleich schafft die Botschaft von der Auferstehung die Gewissheit und Hoffnung, dass Gott dieser lebenszerstörerischen Kraft nicht das letzte Wort lässt. Wer in der Nachfolge lebt, wird sowohl im eigenen Leben wie auch in der Gesellschaft an der Überwindung von Gewaltzusammenhängen arbeiten. Es gilt, Wege aus der Gewalt zu suchen, die Menschen befreien und ihnen Zukunft ermöglichen, entweder durch Trennung oder, wenn die Gewaltopfer dies wollen, auch als Paar oder als Familie. Hierzu braucht es vielfältige Unterstützung, Seelsorge und Beratung.

6.7 Migration und Familienkulturen

Migration gehört zu den Erfahrungen jeder Zeit und Generation, schon biblische Geschichten berichten davon. Entscheidend ist, wie Einheimische und Zugewanderte ihr Zusammenleben gestalten. Das Ankommen in einer neuen Gesellschaft ist ein Generationenprojekt, das Migrantenfamilien dazu herausfordert, eine neue Balance von Herkunfts-Kultur und neuen kulturellen Einflüssen zu finden, um heimisch zu werden. Herausgefordert ist auch die einheimische Gesellschaft mit ihren kulturellen und religiösen Traditionen, mit ihren Familienbildern und Erziehungsstilen. Bikulturelles Aufwachsen bietet die Chance, Rituale und Lebensdeutungen unterschiedlicher Kulturen und religiöser Lebenszusammenhänge verstehen zu können und sich - bei allen Spannungen, die auch damit verbunden sind - auf die Suche nach einer eigenen kulturellen Identität und gestalteten Religiosität zu begeben. Gerade das Zusammenleben mit anderen Religionen erinnert die säkularisierte Gesellschaft erneut an die religiöse Prägung der Lebenszusammenhänge - von den Alltagsritualen wie Tisch- und Abendgebeten bis zu Hochzeiten und Beerdigungen.

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Mit dem Zuzug von Arbeitsmigranten seit den 1960er Jahren sind auch andere Familienkulturen in Deutschland relevant geworden. Migrantenfamilien leben nicht generell - wie häufig angenommen - „traditioneller“ als einheimische Familien: So haben osteuropäische, aber auch afrikanische Familien in Deutschland höhere Anteile von Alleinerziehenden als die einheimische Bevölkerung. In Deutschland fällt der Blick allerdings besonders auf die türkischen Familien, deren Anteil an den Familien mit verheirateten Elternpaaren mit knapp 92% deutlich über dem der Einheimischen liegt (79%) und ebenso alle anderen Einwanderergruppen übertrifft (BMFSFJ 2010c). Insgesamt gesehen, sind deutlich weniger Frauen mit Migrationshintergrund erwerbstätig als einheimische. Auch hier ist die besonders niedrige Erwerbsquote türkischer Frauen die Ursache. In fast allen anderen Einwanderergruppen sind Frauen sogar mehr als einheimische erwerbstätig. Von einem Familienleitbild aller Migrantenfamilien kann also nicht gesprochen werden. Wesentlich ist der kulturelle Hintergrund der einzelnen Migrantenfamilien. Vor die größten Herausforderungen sehen sich Familien aus ländlichen Regionen ihrer Herkunftsländer gestellt. Wo traditionell landwirtschaftliche Subsistenzgemeinschaften weitgehend ohne wohlfahrtsstaatliche und zivilrechtliche Rahmungen dominieren, sind Familien auf starken Zusammenhalt und gemeinschaftsorientierte Regel- und Austauschsysteme angewiesen. Die familiale Wohlfahrtsproduktion beruht hier auf einer generational und geschlechtlich segregierten Arbeitsteilung. Auch bei Familien, in deren Heimatland Modernisierungsprozesse zu Veränderungen führen, gewinnt die Familienbindung an ihrem neuen Lebensmittelpunkt in einem zunächst fremden Land nochmals an Bedeutung. Das gilt umso stärker, je mehr die aufnehmende Gesellschaft als zurückweisend, ablehnend und diskriminierend erlebt wird.

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Dies erklärt, warum zum Beispiel türkische Migrantenfamilien in Deutschland einen stärker behütenden und kontrollierenden Erziehungsstil praktizieren als Familien in der Türkei (Uslucan 2008). Dem entspricht die Skepsis der Eltern gegenüber Autonomie stärkenden Erziehungsstilen und einer individualisierenden Haltung zu Kindern. Für Kinder können Konflikte zwischen dem Erziehungsstil in der Herkunftsfamilie und dem in öffentlichen Einrichtungen wie Schule oder Kindertagesstätte zu einem Problem werden. Sie sind auf Ermutigung zur Eigenständigkeit angewiesen, um durch Bildungsaufstieg jene Erwerbsmöglichkeiten zu erreichen, die moderne Dienstleistungs- und Wissensgesellschaften zu bieten haben. Zugleich brauchen sie aber angesichts der Erfahrungen von Alltagsrassismen den Rückhalt der Herkunftsfamilie. In Studien zu Autonomie und Verbundenheit im kulturellen Kontext zeigen sich neue Perspektiven (Ka??tç?ba?? 2005): Neben einem Familienmodell der Abhängigkeit, das für ländlich-bäuerliche Gesellschaften typisch ist, und dem Modell der Unabhängigkeit, das vor allem in westlichen Kulturen vorherrschend ist, entwickelt sich ein Familienmodell, das eine nicht-westliche Modernität impliziert. Es besteht in der Verbindung von materieller Unabhängigkeit und emotionaler Verbundenheit und entspricht insoweit den menschlichen Bedürfnissen von Autonomie und Angewiesenheit. Obwohl sich Migrantenfamilien untereinander genauso unterscheiden wie die einheimische Bevölkerung, werden häufig auftretende Probleme mit dem anderen kulturellen oder religiösen Hintergrund erklärt. Das ist in besonderer Weise bei Zuwanderern aus muslimisch geprägten Ländern der Fall, selbst wenn sie selbst religiös eher indifferent sind. Zahlreiche Studien zeigen jedoch, dass die soziale Lage der Familien viel einflussreicher ist als der kulturelle und religiöse Hintergrund. Unterstützende Maßnahmen sollten dies im Blick behalten. Noch gänzlich ungeklärt ist die Lebenssituation von Migrant/innen ohne geregelten Aufenthaltsstatus, die nicht selten auch mit Kindern eingewandert sind oder in Deutschland Kinder geboren haben. Wie deren Schulpflicht sowie soziale und medizinische Versorgung sichergestellt ist, wie sie die Kinderrechtskonvention der UN vorsieht, lässt die bundesdeutsche Politik derzeit ungelöst. Nicht selten sind Kirchengemeinden und diakonische Einrichtungen wichtige Anlaufstellen. Die Fachkräfte dort sowie an Schulen dürfen jedoch wegen ihres fürsorglichen Handelns nicht rechtlichen Risiken ausgesetzt werden.

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Je selbstverständlicher Ehen zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrundwerden, desto mehr wird es auch darauf ankommen, verschiedene Kulturen und Lebensstile, aber auch verschiedene religiöse Überzeugungen nebeneinander zu respektieren. Fühlten sich viele Familien schon in konfessionsverbindenden Ehen überfordert und oft von den Kirchen allein gelassen, wenn es um die gemeinsame Taufe oder die Eucharistie ging, so ist die Unsicherheit im Blick auf Beschneidung oder Hochzeiten religionsverschiedener Paare doppelt groß. Oft werden die eigenen religiösen Bindungen und Prägungen erst in der Begegnung mit den anderen Konfessionen und Religionen wirklich bewusst. Der häufige Versuch, die religiöse Erziehung an einen der Partner zu delegieren, kann dann kaum gelingen, wenn die religiöse Muttersprache und das gesellschaftliche Umfeld nicht übereinstimmen. Eine Säkularität aber, die die Kinder von allen religiösen Wurzeln ihrer Familien abschneidet, enthält ihnen spirituelle Erfahrungen und Lebenskräfte vor, die gerade für die Beziehungen zu sich selbst und anderen Menschen Bedeutung haben. Bikulturelles Aufwachsen bietet die Chance, Rituale und Lebensdeutungen unterschiedlicher Kulturen und religiösen Lebenszusammenhänge verstehen und deuten zu können und sich auf die Suche nach einer eigenen, gestalteten Religiosität zu begeben. Gerade das Zusammenleben mit anderen Religionen erinnert die säkularisierte Gesellschaft erneut an die religiöse Prägung aller wesentlichen Lebenszusammenhänge - von den Alltagsritualen wie Tisch- und Abendgebeten bis zu Hochzeiten und Beerdigungen.

6.8 Reichtum und Armut von Familien

Kinder zu erziehen erhöht statistisch gesehen das Armutsrisiko. Auch die sozialpolitischen Transfers können dieses Risiko nicht beseitigen, da sie die betroffenen Familien nicht zielgenau erreichen. Armut ist allerdings weit mehr als das Fehlen materieller Ressourcen. In armen Familien reduzieren sich auch die Bildungschancen der Kinder, die gesundheitliche Versorgung ist ungenügend, die sozialen Netze sind kleiner, die Angebote im Wohnquartier schlechter: Armut bedeutet geringere Teilhabe und geringere soziale Ressourcen. Insofern geht es bei der Armutsprävention nicht nur um Verteilungs-, sondern auch um Befähigungs- und Teilhabegerechtigkeit.

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Armut in Deutschland ist heute eine Armut von Familien, und zwar von Familien mit Kindern. Dieses Ergebnis der Armutsforschung muss in einem verhältnismäßig wohlhabenden Land wie Deutschland alarmieren, insbesondere dann, wenn Kinder zu haben und mehr als ein Kind zu haben ein „Armutsrisiko“ darstellt. Betroffen sind insbesondere Alleinerziehende, junge und kinderreiche Familien und Familien mit Migrationshintergrund. In Deutschland lag das Armutsrisiko 2010 bei über 18% (BMFSFJ 2012). Die Armutsgefährdungsquote ist ein relativer Maßstab sozialer Ungleichheit, sie gibt den Prozentanteil der Bevölkerung an, der mit einem Einkommen unterhalb 60% des Durchschnittseinkommens auskommen muss. Nach diesen Berechnungen beträgt diese Quote bei Alleinerziehenden 46% bei den Ein-Elternfamilien mit einem Kind und 62% mit zwei Kindern. Überdurchschnittlich oft sind auch Familien mit Migrationshintergrund sowie kinderreiche Familien von Armut bedroht. (BMFSFJ 2012: 98ff.).

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Als Ursachen für die Zunahme prekärer Lebenslagen werden die Veränderungen im Beschäftigungssystem, aber auch die Senkung der Sozialleistungen genannt. Dazu gehören in besonderer Weise anhaltende Arbeitslosigkeit, die Ausweitung des Dienstleistungssektors mit der Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse und einer steigenden Zahl von Niedriglöhnen sowie - für die Lebensplanung und Alltagsbewältigung in Familien besonders belastend - die Erwartungen an die Verfügbarkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dieser Abbau der sog. „Normalarbeitsverhältnisse“, die Kündigungsschutz und Berufsschutz enthielten sowie eine Lebens- und Familienplanung ermöglichten, wurde begleitet von der Rücknahme sozialstaatlicher Sicherungen. Als besondere Härte ist anzusehen, dass das Elterngeld im Gegensatz zum früheren Erziehungsgeld auf die SGB-II-Leistungen angerechnet wird, gerade diesen Eltern also nicht zusätzlich zur Verfügung steht. Der internationale Vergleich zeigt außerdem, dass die Höhe der staatlichen Sozialausgaben nicht allein über das Ausmaß der Armut entscheidet, vielmehr ist ausschlaggebend, wie zielgerichtet sie Familien und Kindern zugute kommen.

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Dass insbesondere Alleinerziehende mit ihren Kindern unverändert hoch von Armut betroffen sind, wird seit Jahren als soziales Problem debattiert. Und doch liegen die Ursachen nicht nur in veränderten Lebensweisen, sondern in der Tatsache, dass sich Kindererziehung und volle Erwerbstätigkeit wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten und Ganztagsschulen nach wie vor nicht vereinbaren lassen. Hinzu kommt, dass Frauen immer noch schlechter bezahlt werden bzw. überwiegend im Niedriglohnsektor beschäftigt sind und das geringe Einkommen nicht durch ein zweites Einkommen aufgefangen werden kann. Die Kinder Alleinerziehender sind nicht nur häufiger arm, sie bleiben es auch über längere Zeiträume. Aber auch bei Familien mit mehreren Kindern ist das Einkommensgefälle durch die Aufgabe oder die Reduzierung der Erwerbstätigkeit der Mutter zugunsten der nicht bezahlten, gesellschaftlich so bedeutsamen Erziehungsleistung die Ursache für ihre Armutsgefährdung. Der Bedarf an ergänzenden Sozialleistungen sowie die Altersarmut von Müttern sind damit vorprogrammiert. Die Einführung eines Mindestlohns wäre gerade für Ein-Eltern-Familien häufig ein Weg aus der Armut.

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Die gesellschaftlichen Differenzierungsprozesse haben auch eine (sozial-)räumliche Dimension. In großen Städten leben heute in fünf von sechs Haushalten keine Kinder und Jugendlichen. Der Anteil von größeren Familienhaushalten in Städten hingegen schrumpft seit den 1970er Jahren. Unter diesen Familien überwiegen „arme Familien“, Migrantenfamilien und Alleinerziehende (vgl. BMAS 2008, 123ff.). Ein großer (und in manchen Quartieren heute schon der größte) Teil der nachwachsenden Generation in den großen Städten hat einen Migrationshintergrund und wächst unter Bedingungen sozialer Benachteiligung auf. Gleichzeitig ist die Armut auf dem Land verschämter und wird vor allem als Ausgrenzung erfahren (SI 2010).

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Armut bedeutet mehr, als über geringe materielle Ressourcen zu verfügen. Die Situation sozial benachteiligter Familien insgesamt ist durch eine Häufung sozialer Risikolagen gekennzeichnet: geringe Schul- und Berufsbildung, diskontinuierliche Erwerbsarbeit und hohe, generationsübergreifende Arbeitslosigkeit sowie die überdurchschnittliche Anzahl chronischer Erkrankungen. Zudem sind die Teilhabechancen armer Familien an Bildung allgemein und auch an der Berufs- und Weiterbildung erheblich eingeschränkt. In kaum einem anderen Land im OECD-Vergleich spielen die soziale Herkunft und der Status der Eltern für den Lernerfolg der Kinder eine so große Rolle wie in Deutschland, d. h., die Armutsrisiken dieser Familien werden quasi „vererbt“. Gerade Kinderarmut ist auch mehr als das Fehlen materieller Ressourcen. Es bedeutet, dass die Betroffenen nicht nur sozial benachteiligt, sondern persönlicher Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten beraubt und im Hinblick auf Bildung, Gesundheit und Wohnsituation auf Teilhabe am kulturellen Erbe unterversorgt sind. Wenn man diese qualitativen und nicht-monetären Kriterien anlegt, ist die Zahl der benachteiligten Kinder sogar noch wesentlich höher anzusetzen.

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Die Daten zur höheren Armutsgefährdung von Alleinerziehenden, aber auch zu Familien mit drei und mehr Kindern zeigen, dass ein scharfer Riss durch die Gesellschaft geht - und zwar zwischen denen, die mit Kindern leben, für sie und andere sorgen, und denen, die keine Kinder haben und damit dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Die Lebenssituation unterscheidet sich nicht nur im Hinblick auf die Einkommen, sondern auch im Hinblick auf die verfügbare Zeit, den Lebensstil und das Erziehungsverhalten. Der Ein- oder Zweiverdienerhaushalt ist die entscheidende Trennlinie, die Alleinerziehende und Familien mit Kindern einem Armutsrisiko aussetzt, da - nach wie vor insbesondere in (West-)Deutschland - Kinder zu haben in der Regel für Frauen zugleich die Unvereinbarkeit von Beruf und Familienpflichten bedeutet. Das gilt prinzipiell auch für die Unvereinbarkeit von häuslicher Pflege und Berufstätigkeit.

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Die Bibel hat die Teilhabe von Witwen und Waisen, von Kindern und sozial abhängigen Frauen immer besonders im Blick gehabt. Paulus kritisiert, dass die Gemeinde Abendmahl feiere, ohne Frauen und Sklaven von Beginn an einzubeziehen. Die Apostelgeschichte erzählt, dass die Benachteiligung der Witwen aus der griechischen Diaspora bei der Essensausgabe für Arme zu Protesten und Auseinandersetzungen in der Gemeinde und schließlich zur Gründung einer frühen Form von Gemeindediakonie und zur Schaffung diakonischer Ämter führte. Auf diesem Hintergrund kritisierte Johann Hinrich Wichern im 19. Jahrhundert „Hamburgs wahres und geheimes Volksleben“; er setzte sich wegweisend mit Unterernährung, Wohnungsnot, Bildungsarmut und Gewalterfahrungen der Benachteiligten auseinander und gründete neue diakonische Initiativen. Auch wenn Armut und die dramatische Öffnung der Schere zwischen Arm und Reich in unserer Gesellschaft inzwischen sozialpolitisch zum Thema geworden sind, bleibt doch die Frage, welchen Beitrag speziell die Kirchen und Wohlfahrtsverbände heute zur Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung leisten können. Wenn die benachteiligten und in Armut lebenden Familien und insbesondere ihre Kinder das Vertrauen in die Kirche nicht verlieren sollen, werden Diakonie und Gemeinden in ihren Einrichtungen und Veranstaltungen noch deutlich mehr auf diese Menschen zugehen müssen.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Berliner Symposion: Zwischen theologischer Aussage und sozialgeschichtlicher Lebenswirklichkeit

Die Orientierungshilfe ist zunächst an dem Auftrag zu bemessen, den der Rat der EKD der Kommission gegeben hatte: sie solle über eine kirchliche Perspektive zur Familienpolitik beraten (S. 8). In der öffentlichen Diskussion nach der Veröffentlichung sind vor allem Aspekte thematisiert worden, die nicht eigentlich im Focus der Orientierungshilfe standen. Sie betreffen das Verständnis von Ehe, Sexualität und Lebensformen und fragen nach der den betreffenden Aussagen zugrunde liegenden theologischen, vor allem biblischen Orientierung.

Berliner Symposion: Suggerierte Eindeutigkeit einer komplexen Auslegung

1) "The War over the Family"1 lautet der Titel eines Buches, das die Soziologen Brigitte und Peter L. Berger veröffentlicht haben. Die Überschrift des einleitenden Kapitels lautet: "Die Familie - Ideologisches Schlachtfeld". Wer sich durch die Nachrichten über die Evangelische Kirche in Deutschland seit der Veröffentlichung der Orientierungshilfe liest, kann in der Tat den Eindruck gewinnen, wir befinden uns auf einem Schlachtfeld.

Berliner Symposion: Wie wird Ehe- und Familienethik "schriftgemäß"? Eine Zustimmung zur Orientierungshilfe

Den Voten der Orientierungshilfe, das sei vorweg gestellt, kann ich gut folgen, und ich halte ihre sozialethischen Anliegen für eine angemessene Interpretation und Applikation biblischer Ethik. Nicht verschwiegen sei, dass ich eine präzisere theologische Begründung wünschenswert finde, da der biblische Befund eher narrativ dargestellt wird, mit Unschärfen und Fehlern im Detail.

Berliner Symposion: Die Einleitung von Christoph Markschies

Wenn, lieber Nikolaus Schneider, liebe leitende Geistliche, meine Damen und Herren, liebe Frau Gerber, liebe Herren Härle, Horn und Tanner, den Vorsitzenden der Kammer für Theologie bittet, ein theologisches Symposium zu einer Orientierungshilfe des Rates zu moderieren, dann liegt ja offenbar ein theologisches Problem vor. Sonst hätte an meiner Stelle ja irgendein anderer, irgendeine andere stehen können.

Berliner Symposion: Begrüßung von Nikolaus Schneider

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
herzlich willkommen zum theologischen Symposion des Rates der EKD.

Sie alle haben sich in den letzten Wochen und Monaten auf unterschiedliche Weise mit der Orientierungshilfe des Rates der EKD "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie stärken" auseinandergesetzt. Wir freuen uns über die rege Diskussion innerhalb und außerhalb unserer Kirche zu diesem Papier. Ein kritischer – auch selbstkritischer! – Diskurs über ethische Orientierungshilfen in existentiellen Fragen steht dem Protestantismus gut an.

Nikolaus Schneider: "Das hat mit Zeitgeist-Surferei nichts zu tun"

epd: Bei der Vorstellung des EKD-Familienpapiers haben Sie dazu aufgerufen, gesamtgesellschaftlich eine Debatte zu führen. Die ist nun im vollen Gang. Sind sie damit zufrieden?

Offener Brief: Zehn Fragen an den Rat der EKD

(1) – Bitte informieren Sie über das "Instrumentarium": "Orientierungshilfe" (auch im Unterschied zur "Denkschrift"), über das "procedere" (bis hin zur Verabschiedung), über den Status von EKD-ad-hoc-Kommissionen, über deren Autorität und Legitimation, über die Verbindlichkeit solcher Verlautbarung in den verschiedenen EKD-Gliedkirchen. Es fällt auf, dass von einzelnen führenden EKD-Vertretern aufgrund der heftigen Kritik die vom Rat herausgegebene und verantwortete "Orientierungshilfe" zu einem "Diskussionspapier" herabgestuft werden soll. Was ist denn nun "Sache"?

Offene Fragen

Frau Präsidentin, hohe Synode! Angesichts der Zeitknappheit – ich sehe Ihren mahnenden Blick - möchte ich nur drei, vier Punkte klar stellen. Zunächst einmal danke ich für die Aussprache. Wir sind in einer Kirche der Freiheit, und wir werden in der Orientierungshilfe sogar zur Diskussion und zur Stellungnahme eingeladen. Das haben wir heute getan, und das finde ich richtig und in Ordnung.

Das Papier, darauf will ich noch einmal hinweisen, ist keine Denkschrift, wie es immer wieder heißt. Es ist eine Orientierungshilfe und hat dadurch natürlich auch eine andere Qualität.

Eine Entlastung für Menschen, die mit Brüchen leben müssen

Besonders begrüßt wird die Darstellung der Vielfalt von familialen Lebensformen in der heutigen Gesellschaft. Die Ehe mit Kindern wird in diesem Zusammenhang nur als eine mögliche Lebensform beschrieben, ohne diese zu überhöhen bzw. andere Formen abzuwerten. Vielfältige Familienformen seien bereits in der Bibel beschrieben. Eine Erhebung der Familienform mit Trauschein über alle anderen Familienformen ließe sich aus der Bibel nicht ableiten, wäre geradezu eine Verengung.

Ja zur Vielfalt von Familie!

Zu Berichten über eine Initiative gegen die im Juni präsentierte Orientierungshilfe der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ erklärt Christiane Reckmann, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie e.V.:

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