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Wenn es um Konflikte geht, dürfen aber auch die Menschen nicht vergessen werden, die bei der Kirche selbst arbeiten oder in ihr Ämter übernehmen. An ihre Lebensführung, ihr Ehe- und Familienleben werden Anforderungen gestellt, die sie bisweilen als einengend oder gar unvereinbar mit ihren eigenen Lebenskonzepten erleben. Pfarrhäuser sind nach wie vor zentrale Orte und Anlaufstellen in der Gemeinde. Zugleich aber zeigt sich im Leben von Pfarrerinnen und Pfarrern und ihren Familiensituationen der gesellschaftliche Wandel. Die Emotionalität früherer Debatten um geschiedene Paare und Patchworkfamilien im Pfarrhaus, aber auch die Heftigkeit heutiger Diskussionen um homosexuelle Lebenspartnerschaften und bi-religiöse Ehen macht deutlich, dass Pfarrhäuser nach wie vor als symbolische Orte für die Veränderungen im Leben der Gemeinde wahrgenommen werden und dass an den Lebensstil von Pfarrerinnen und Pfarrern besondere Erwartungen gerichtet sind. Neue Lebensformen im Pfarrhaus können den Blick dafür öffnen, dass in vielen unterschiedlichen Formen Leben gelingen kann, wenn es verantwortlich, verbindlich und verlässlich gestaltet wird.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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