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Angesichts des tiefgreifenden sozialen und kulturellen Wandels ist auch die Kirche aufgefordert, Familie neu zu denken und die neue Vielfalt von privaten Lebensformen unvoreingenommen anzuerkennen und zu unterstützen. Diese Anerkennung ist nicht lediglich als Anpassung an neue Familienwirklichkeiten zu verstehen, sondern als eine normative Orientierung. Vor dem Hintergrund der befreienden Botschaft des Evangeliums geht es darum, das Versprechen der Freiheit und Gleichheit aller Menschen ernst zu nehmen und Gerechtigkeit auch in der Familie umzusetzen. Die traditionellen Leitbilder halten den neuen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft sowie den vielfältigen Erwartungen an Familien nicht mehr stand. Die Erziehung der Kinder, die Pflege kranker und alter Menschen sowie die alltägliche Sorge für das Wohl der Familienangehörigen sind so kostbare Aufgaben, dass sie einer neuen gesellschaftlichen Wertschätzung und Achtsamkeit bedürfen. Sie sind deshalb nicht ausschließlich der Privatsphäre oder einem der Partner, in der Regel der Frau, zu überlassen. Frauen und Männer haben das Recht auf einen eigenen Lebensentwurf, in dem sie Beruf und Familie vereinbaren können. Im Zentrum der Familie heute steht das Kindeswohl, das auf eigenständigen Kinderrechten beruht. Der gesellschaftliche Wandel bietet deshalb eine Chance, neue Formen der Arbeitsteilung in Familie und Beruf zu praktizieren und insbesondere auch die Haus-, Sorge- und Pflegetätigkeiten partnerschaftlich zu teilen. Für diese Ziele setzt sich die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (eaf), der Dachverband Familien unterstützender Werke und Verbände in der EKD, seit Langem ein. Familienarbeit und Familienpolitik sollte grundsätzlich auch als zentrales Handlungsfeld landeskirchlichen Handelns verstanden werden, das weiterentwickelt und gefördert werden muss. (s. Kap. 3).

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ermutigung für das Wagnis familiären Lebens

Wie dem Inhaltsverzeichnis der Orientierungshilfe unschwer entnommen werden kann, ist dieses Papier vor allem ein familienpolitisches Papier. Mehr als die Hälfte dieser Orientierungshilfe behandelt Herausforderungen und Empfehlungen für die Familienpolitik. Dies deswegen, weil wir darüber besorgt sind, dass in der Sozialpolitik unseres Landes die Stärkung der Familie keine oberste Priorität mehr einnimmt. Hier wollten wir mit der Orientierungshilfe einen Akzent setzen, deswegen auch der Untertitel der Schrift "Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken".

Familie ist mehr als Vater, Mutter, Kind

Heute geht die Braut in Rot. Denn es ist ihre zweite Hochzeit. Mit Anfang fünfzig machen sie und ihr Bräutigam noch mal einen neuen Anfang - so wie viele andere Paare in ihrem Alter. Das Versprechen: Wir bleiben beieinander, bis dass der Tod uns scheidet… Mit Gottes Hilfe. Das hatten sich die meisten von ihnen schon einmal gegeben. Und dann kam das, was sie sich nie gewünscht haben: die Beziehung zerbrach. Manche hatten noch die silberne Hochzeit geschafft, aber die Goldene oder gar die Diamantene wie meine Großeltern, die ist für viele Paare heute in weite Ferne gerückt.

Kulturkampf um Ehe und Familie

Wer über Familie schreibt, schreibt über Fragen, die Menschen bis ins Tiefste treffen.
Nikolaus Schneider

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