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Angesichts des tiefgreifenden sozialen und kulturellen Wandels ist auch die Kirche aufgefordert, Familie neu zu denken und die neue Vielfalt von privaten Lebensformen unvoreingenommen anzuerkennen und zu unterstützen. Diese Anerkennung ist nicht lediglich als Anpassung an neue Familienwirklichkeiten zu verstehen, sondern als eine normative Orientierung. Vor dem Hintergrund der befreienden Botschaft des Evangeliums geht es darum, das Versprechen der Freiheit und Gleichheit aller Menschen ernst zu nehmen und Gerechtigkeit auch in der Familie umzusetzen. Die traditionellen Leitbilder halten den neuen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft sowie den vielfältigen Erwartungen an Familien nicht mehr stand. Die Erziehung der Kinder, die Pflege kranker und alter Menschen sowie die alltägliche Sorge für das Wohl der Familienangehörigen sind so kostbare Aufgaben, dass sie einer neuen gesellschaftlichen Wertschätzung und Achtsamkeit bedürfen. Sie sind deshalb nicht ausschließlich der Privatsphäre oder einem der Partner, in der Regel der Frau, zu überlassen. Frauen und Männer haben das Recht auf einen eigenen Lebensentwurf, in dem sie Beruf und Familie vereinbaren können. Im Zentrum der Familie heute steht das Kindeswohl, das auf eigenständigen Kinderrechten beruht. Der gesellschaftliche Wandel bietet deshalb eine Chance, neue Formen der Arbeitsteilung in Familie und Beruf zu praktizieren und insbesondere auch die Haus-, Sorge- und Pflegetätigkeiten partnerschaftlich zu teilen. Für diese Ziele setzt sich die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (eaf), der Dachverband Familien unterstützender Werke und Verbände in der EKD, seit Langem ein. Familienarbeit und Familienpolitik sollte grundsätzlich auch als zentrales Handlungsfeld landeskirchlichen Handelns verstanden werden, das weiterentwickelt und gefördert werden muss. (s. Kap. 3).

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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