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Auch im Bereich der häuslichen Pflege ist der Blick stärker auf das noch eher tabuisierte Thema der Gewalt zu richten. Nicht selten führen die extremen Anforderungen der häuslichen Pflege dazu, dass die Belastungsgrenzen der Pflegenden überschritten werden. Situationen der Überforderung, Verzweiflung und Aggressionen führen immer wieder auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bis in die Gegenwart hinein ist die Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen in Deutschland ein wissenschaftlich unzureichend erforschtes Gebiet. Erstmalig wurden Anfang der 1990er Jahre repräsentative Daten zum Dunkelfeld der Gewalt gegen ältere Menschen erhoben. Insgesamt berichteten 7% der über 60-Jährigen von Gewalterfahrungen durch Familien- oder Haushaltsmitglieder (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, 1992). Im Pflegefall erhöht sich das Risiko: Ca. 15% einer bundesweiten Befragung von Pflegebedürftigen über 60 Jahre berichten von Übergriffen durch Pflege- und Betreuungspersonen, vor allem über verschiedene Formen der Missachtung von Autonomie und Würde (13%) und der pflegerischen Vernachlässigung (6%) (Infas 2005, zit. in: Evangelische Frauen-/Männerarbeit EKD 2011).