111
Armut bedeutet mehr, als über geringe materielle Ressourcen zu verfügen. Die Situation sozial benachteiligter Familien insgesamt ist durch eine Häufung sozialer Risikolagen gekennzeichnet: geringe Schul- und Berufsbildung, diskontinuierliche Erwerbsarbeit und hohe, generationsübergreifende Arbeitslosigkeit sowie die überdurchschnittliche Anzahl chronischer Erkrankungen. Zudem sind die Teilhabechancen armer Familien an Bildung allgemein und auch an der Berufs- und Weiterbildung erheblich eingeschränkt. In kaum einem anderen Land im OECD-Vergleich spielen die soziale Herkunft und der Status der Eltern für den Lernerfolg der Kinder eine so große Rolle wie in Deutschland, d. h., die Armutsrisiken dieser Familien werden quasi „vererbt“. Gerade Kinderarmut ist auch mehr als das Fehlen materieller Ressourcen. Es bedeutet, dass die Betroffenen nicht nur sozial benachteiligt, sondern persönlicher Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten beraubt und im Hinblick auf Bildung, Gesundheit und Wohnsituation auf Teilhabe am kulturellen Erbe unterversorgt sind. Wenn man diese qualitativen und nicht-monetären Kriterien anlegt, ist die Zahl der benachteiligten Kinder sogar noch wesentlich höher anzusetzen.