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In der international vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung wird inzwischen das spezifische Verhältnis von Staat, Markt und Familie ins Zentrum der Analysen gestellt. Dieser Ansatz nimmt insofern einen Perspektivenwechsel vor, als damit Familienpolitik als tragende Säule der Sozialpolitik erkannt wird. Damit setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Funktionsfähigkeit des bisherigen wie gegenwärtigen Sozialstaats zum größeren Teil auf der informellen, d. h. vor allem der familialen Wohlfahrtsproduktion (Kaufmann 1997) beruht. Denn die private Alltagsarbeit sowie die Erziehung und Pflege der Kinder und Alten, überhaupt jede Form sozialer Hilfeleistung und gesellschaftlicher Solidarität, bilden die eigentliche und unverzichtbare Grundlage und Voraussetzung unseres gesellschaftlichen Reichtums. Das bisherige wohlfahrtsstaatliche Arrangement mit seiner traditionellen Familienverfassung setzte eine geschlechtshierarchische Arbeitsteilung voraus, die die Sorge für andere als Liebesdienst oder „Arbeit aus Liebe“ und somit alltägliche Haus- und Erziehungsarbeit unsichtbar und unbezahlbar gewährleistete. Angesichts des tiefgreifenden Strukturwandels im Blick auf Arbeitsmarkt, Familie, den demographischen Wandel und die veränderten Anforderungen und Bedürfnisse hinsichtlich Bildung, Erziehung, Gesundheit und Pflege problematisierte daher auch der Siebte Familienbericht ausführlich das „erhebliche Defizit an Fürsorge/Care“, das, von Familien geleistet, keineswegs als quasi „natürliche“ Ressource betrachtet werden kann, sondern in einer gleichberechtigten Erwerbsgesellschaft bewusst gestaltet und organisiert werden muss.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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