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Menschsein gestaltet sich von Anfang an bis zum Ende in Beziehungen, wir werden am Du erst zum Ich und bleiben aufeinander angewiesen. Freiheit und verantwortliche Bindung als Gegensatz zu verstehen wäre deshalb völlig verfehlt. So ruft Jesus zwar Männer und Frauen aus ihren familiären Beziehungen in die Nachfolgegemeinschaft, betont aber zugleich mit dem Scheidungsverbot die Verantwortung der Ehepartner füreinander - vor allem wohl die der Ehemänner für ihre Frauen, die auf männlichen Schutz angewiesen waren, da sie keine eigenen Rechte hatten. Eine solche ökonomische Abhängigkeit und Schutzlosigkeit erleben Frauen in den westlichen Gesellschaften nicht mehr; nur an der Situation von Kindern während einer Scheidung kann noch etwas davon spürbar werden. Im Streit um Unterhaltspflichten und elterliche Sorge zeigt sich die prekäre Situation von Kindern und Jugendlichen, die noch nicht auf eigenen Füßen stehen und deshalb Zuwendung und Stabilität brauchen. Das Scheidungsverbot Jesu erinnert die Paare und Eltern an ihre Verantwortlichkeit und macht Kirche und Gesellschaft deutlich, dass Verlässlichkeit für jede Gemeinschaft konstitutiv sind, weil sie die Schwächeren schützen und damit erst den Spielraum für Freiheit und Entwicklung eröffnen.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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