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Die Frage nach der Segnung homosexueller Paare und der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften, die sich darin ausdrückt, bewegt die evangelische Kirche seit Langem und ist nach wie vor umstritten. Im Kern geht es bei diesem Thema um das evangelische Verständnis der kirchlichen Trauung angesichts neuer Lebensformen. Es geht aber auch um die Frage, wie biblische Texte - zum Beispiel der Schöpfungsbericht - auszulegen sind und welche Rolle dabei die historische und gesellschaftliche Einordnung spielt. Deutet man die biblischen Aussagen, in denen Homosexualität als Sünde gekennzeichnet wird (3. Mose 18,22; 20,13; Röm 1,26-27), als zeitlos gültig, kann man zu der Meinung kommen, eine homosexuelle Partnerschaft sei mit einer heterosexuellen keinesfalls vergleichbar. Allerdings gibt es auch biblische Texte, die von zärtlichen Beziehungen zwischen Männern sprechen. Fragt man jenseits dieser einzelnen Textstellen nach dem, was menschliche Beziehung in Gottes Schöpfung ausmacht, dann ist zu konstatieren: Der Mensch wird von Anfang an als Wesen beschrieben, das zur Gemeinschaft bestimmt ist (1. Mose 2,18). Durch das biblische Zeugnis hindurch klingt als „Grundton“ vor allem der Ruf nach einem verlässlichen, liebevollen und verantwortlichen Miteinander, nach einer Treue, die der Treue Gottes entspricht. Liest man die Bibel von dieser Grundüberzeugung her, dann sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften, in denen sich Menschen zu einem verbindlichen und verantwortlichen Miteinander verpflichten, auch in theologischer Sicht als gleichwertig anzuerkennen. Nutzen homosexuelle Menschen heute die rechtliche Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaft, dann erklären sie, wie heterosexuelle Menschen, bei der Eheschließung öffentlich ihren Willen, sich dauerhaft aneinander zu binden und füreinander Verantwortung zu tragen.

Manches heterosexuelle Paar entscheidet sich bewusst gegen Kinder oder bleibt aus anderen Gründen kinderlos und gestaltet seine Generationenbeziehungen dennoch schöpferisch und verantwortlich. Dass homosexuelle Paare gemeinsam keine Kinder zeugen können, kann deshalb kein Grund sein, ihnen den Segen zu verweigern. Tatsächlich leben viele homosexuelle Paare als Familie mit Kindern aus früheren Beziehungen oder mit Kindern, die durch eine Samenspende gezeugt wurden. Es zählt zu den Stärken des evangelischen Menschenbilds, dass es Menschen nicht auf biologische Merkmale reduziert, sondern ihre Identität und ihr Miteinander in vielfältiger Weise beschreibt. Hinter der Vielfalt, die wir in familiären und partnerschaftlichen Beziehungen erleben, stehen gesamtgesellschaftliche Veränderungsprozesse. Die Erleichterung von Trennungen und Scheidungen, das Entstehen von Patchworkfamilien, homosexuellen Partnerschaften mit und ohne Kinder bringen offene Fragen mit sich. Zu den Veränderungsprozessen, mit denen Menschen persönlich konfrontiert sind, gehören neue Aufbrüche genauso wie Konflikte. Dass Menschen in solchen Situationen um Segen und Begleitung bitten, wenn der christliche Glaube in ihrem Leben eine Rolle spielt, ist verständlich und zu begrüßen. Die Diskussionsprozesse in einigen evangelischen Landeskirchen sind Ausdruck des geistlichen Ringens um das evangelische Verständnis von Familie und Partnerschaft angesichts des gesellschaftlichen Wandels und eines erweiterten Familienbegriffs auch im Recht.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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