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Als fester freier Tag in der Woche eröffnet der Sonntag vielen Familien Zeit für Gemeinschaft, Zeit für andere Menschen, für sich selbst und im Besonderen für Gott. Wer so beschäftigt und betriebsam ist, dass er die Beziehung zu seinen Nächsten vernachlässigt und sich auch selbst nicht mehr spürt, kann kaum spirituelle Erfahrungen machen. Denn auch und gerade Religion lebt aus Treue, und Glaube bedeutet, dass wir in allem, was wir sind und tun, auf Gott bezogen bleiben. Sonntag und Gottesdienst geben Gelegenheit, das zu spüren. Anders als andere gemeinsame freie Tage ist der Sonntag auch gesellschaftlich als Tag für Gemeinschaft aus dem Alltag „ausgegrenzt“ und respektiert. Der Sonntag ist eine „andere Zeit“, so wie auch die Festzeiten des Kirchenjahres. Feste wie Weihnachten oder Ostern, die auch Familien ihren Rhythmus geben und mit Familiengeschichten verbunden werden, bieten die Möglichkeit, Leben gemeinsam zu gestalten und zu feiern und dabei zu erfahren, wie unsere Alltagswirklichkeit in der Tiefe mit einer anderen, spirituellen Dimension zusammengehört.

Genauso wichtig sind Feste im Lebenslauf wie Hochzeitstage oder runde Geburtstage, die Familien zusammenführen und Anlass zum Wiedersehen und Feiern geben. In einer mobilen Gesellschaft erfordern sie aber auch ein besonderes Engagement von Familienmitgliedern, damit sie gelingen. Taufen und Beerdigungen werden bei einer kleiner werdenden Verwandtschaft oft nur noch im kleinen Kreis gefeiert. Auf den Kauf von Familiengrabstellen wird zunehmend zugunsten anonymer Gräberfelder verzichtet. Damit gehen zugleich wichtige Bezugspunkte für die Familiengeschichte verloren. Familienfeste bieten die Chance, Beziehungen zu vertiefen, Veränderungen wahrzunehmen und das Leben neu zu gestalten. Freudige Ereignisse wie Taufe und Trauung oder auch Jubiläen sind immer auch mit Umbrüchen und Abschieden im Leben der Familie verbunden. Umgekehrt bedarf der Abschied eines Menschen aus dem Familienverband der gemeinsamen Erinnerung und Trauer, damit Dankbarkeit und Neuanfänge Raum gewinnen können. Christliche Gemeinden können Familien dabei unterstützen, sensibel und kreativ mit Passagen im Lebenslauf umzugehen. Immer häufiger stehen Familien vor der Aufgabe, Familienfeste mit der Verwandtschaft der getrennt lebenden Partner oder auch mit neu hinzugekommenen Familienmitgliedern zu feiern. Damit Menschen sich darin nicht allein gelassen fühlen, bedürfen sie der einfühlsamen Begleitung.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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