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Seit fast zehn Jahren macht das Thema Vernachlässigung von Kindern Schlagzeilen. Gemeint ist körperliche Vernachlässigung durch Mängel in Ernährung, Pflege, Kleidung, Beaufsichtigung und gesundheitliche Fürsorge sowie eine emotional-seelische Vernachlässigung durch mangelnde Zuwendung, Förderung oder instabile Beziehungen. Grundsätzlich gilt: Je jünger die betroffenen Kinder sind und je tiefgreifender sie vernachlässigt werden, umso größer ist das Risiko nachhaltiger Schädigung. Gerade Kinder unter drei Jahren, aber auch Kinder mit Behinderungen sind in besonderem Maße auf Schutz, Fürsorge und Förderung angewiesen; sie waren bislang zu wenig im Blickpunkt von öffentlicher Betreuung, Jugendhilfe und Gesundheitsfürsorge. Dies unterstreicht die Notwendigkeit für den weiteren Ausbau der „Frühen Hilfen“, die eine systematische Vernetzung der Gesundheitsdienste (Hebammen, Kinderärztinnen und Kinderärzte, Kinderkliniken) und Jugendhilfe (Jugendamt und freie Träger) vorsehen. Das Versagen bei der Erziehung und Betreuung von Kindern kann nicht allein den Eltern angelastet werden. Fehlende familienunterstützende sozio-ökonomische Rahmenbedingungen und prekäre Lebenslagen haben negative Auswirkungen auf gelingende Erziehung. Leider sind auch im neuen Bundeskinderschutzgesetz (seit 2012 in Kraft) keine verbindlichen Regelungen für Maßnahmen der Familienbildung - und damit der Prävention und niedrigschwelligen Hilfe - vorgesehen.

Debattenbeiträge zu diesem Kapitel

Ist die Ehe ein Auslaufmodell? Soziologische und theologische Überlegungen

Dass die EKD-Orientierungshilfe zur Familie eine solch intensive Debatte ausgelöst hat, wird man nur begrüßen können. Die kulturellen Wandlungen in Ehe und Familie in den letzten 60 Jahren sind immens. Beide Institutionen verstehen sich nicht mehr von selbst und bedürfen deshalb der Reflexion. Wenn ich die Reaktionen auf die Orientierungshilfe betrachte, wird deutlich, dass man idealtypisch zwei unterschiedliche Rezipientengruppen differenzieren kann.

Die theologische Orientierung der Orientierungshilfe

Die Verantwortung dafür, dass im Titel meines Referats gleich zweimal das Substantiv „Orientierung“ vorkommt, trägt weder der Veranstalter dieses Symposiums noch ich, sondern sie ergibt sich aus den Formulierungen des Textes, über den ich sprechen soll, eben die Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“, die im Juni 2013 unter dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ veröffentlicht wurde.

Beschluss der EKD-Synode zur Familienpolitik

Die Synode der EKD dankt der Ad-hoc-Kommission und dem Rat der EKD für die Darstellung der Herausforderungen von Familie heute in der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“. Nach der Veröffentlichung der Schrift hat eine intensive theologische Debatte dazu stattgefunden. Dabei ist die wesentliche familienpolitische Akzentsetzung des Textes aus dem Blick geraten.

Patchwork ist doch keine Theologie!

Solchen Streit hatten die Autoren nicht erwartet. Da veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein umfangreiches Papier zum hochaktuellen Thema Familienpolitik, eindeutig ein gesellschaftspolitisches Thema. Doch etliche Kritiker lesen es ganz gegen seine Intention, nämlich als theologisches Grundsatzpapier über Ehe und Familie.

Lebendig als Du: Die Orientierungshilfe und die Bibelwissenschaft

Familie ist vielfältig. Und der kirchliche Segen gilt verheirateten, unverheirateten, geschiedenen und homosexuellen Paaren, Patchworkfamilien - allen Menschen, die in verbindlichen Beziehungen zusammenleben, füreinander und für andere Verantwortung übernehmen. Er ist nicht auf die klassische heterosexuelle Ehe beschränkt. Denn das würde dem evangelischen Menschenbild widersprechen, das Menschen nicht auf biologische Merkmale, ihre Herkunft und ihr Geschlecht reduziert.

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