Eine Entlastung für Menschen, die mit Brüchen leben müssen
Besonders begrüßt wird die Darstellung der Vielfalt von familialen Lebensformen in der heutigen Gesellschaft. Die Ehe mit Kindern wird in diesem Zusammenhang nur als eine mögliche Lebensform beschrieben, ohne diese zu überhöhen bzw. andere Formen abzuwerten. Vielfältige Familienformen seien bereits in der Bibel beschrieben. Eine Erhebung der Familienform mit Trauschein über alle anderen Familienformen ließe sich aus der Bibel nicht ableiten, wäre geradezu eine Verengung.
Wertschätzung verdiene die gelingende, inhaltliche Gestaltung von Beziehungen und nicht die äußere Gestalt. Auf die Inhalte der gelebten Beziehungen komme es an: Verlässlichkeit, Verbindlichkeit, Verantwortung und Partnerschaftlichkeit. Die Orientierungshilfe macht deutlich, dass diejenigen, die Care-Aufgaben in der Familie (Erziehung, Bildung, Sozialisation, Gemeinschaftserleben, Pflege usw.) leisten, Kindern und Jugendlichen ein Schon- und Schutzraum zum Aufwachsen geben und Generationenbeziehungen und Fürsorglichkeit leben, unserer aller Anerkennung verdienen. Damit knüpft sie nahtlos an die Resolution der Landessynode der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) aus dem Jahr 2003 an.
"Angebote ohne moralischen Zeigefinger, sondern mit großer Zuwendung machen, als Zeichen von göttlicher Zuwendung zu jedem einzelnen Menschen"
Die Orientierungshilfe stellt jedoch auch klar, dass die strukturell schwierigen Rahmenbedingungen, die gesellschaftlichen Anforderungen und die persönlichen Erwartungen eine große Herausforderung für die Mitglieder einer Familie darstellen. Diese zu meistern, kann gelingen oder aber auch nicht. Die Orientierungshilfe reduziert familiales Scheitern nicht auf individuelles Versagen, sondern benennt deutlich die strukturellen Ursachen. Dies entlastet Menschen, die mit Brüchen leben müssen, die sich von bisher gültigen normativen Idealen verabschieden mussten, sich schuldig fühlen. Hier kann und muss eine Kirche von heute ansetzen und Angebote ohne moralischen Zeigefinger, sondern mit großer Zuwendung machen, als Zeichen von göttlicher Zuwendung zu jedem einzelnen Menschen: Segensrituale, spirituelle Begleitung in Krisen, Vergebung, Neuanfang und Gemeinschaft.
Neben die Wertschätzung muss jedoch auch die Unterstützung treten. Diese darf sich nicht auf monetäre Transferleistungen beschränken oder sich allein an ökonomischen Bedürfnissen orientieren. Familien brauchen „Zeit, Geld und Infrastruktur“ (siehe 7. und 8. Familienbericht der Bundesregierung). Gemeinsame Familienzeit ist heute eine wichtige Ressource, damit Familienleben gelingen kann. Erwerbsarbeit, Schule, Freizeit, Ehrenamt folgen ihrem jeweils eigenem Rhythmus – so die Aussage der Orientierungshilfe – und müssen miteinander vereinbart werden. Die EAF Pfalz unterstützt die grundsätzliche Forderung nach einem erwerbs-, schul- und einkaufsfreien Sonntag. Gleichzeitig bestärkt sie die pfälzische Landeskirche in ihren Bemühungen eine familienfreundliche Arbeitgeberin zu sein (siehe „audit Familie und Beruf“, „Work-life-Balance“-Studie, Fachtagung „Ach du liebe Zeit - Hintergründe und Positionen für eine moderne Zeitpolitik“).
Die Orientierungshilfe liefert eine willkommene Grundlage für einen umfassenden Diskurs innerhalb unserer Landeskirche. Die EAF Pfalz wird deshalb gemeinsam mit dem Diakonischen Werk Pfalz drei Veranstaltungen im zweiten Halbjahr 2013 und im ersten Halbjahr 2014 anbieten, um theologische und gesellschaftliche Perspektiven des heutigen Familienlebens zu erörtern.
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